Diese Woche hat sich wieder ein Kollege der Quality Austria, Christoph Eichinger, Gedanken für unseren #breakthroughthursday by eccos²²® gemacht, diesmal zu einem hoch brisanten Thema: der Abfallwirtschaft.
Abfallmanagement mit 3 R: “reduce, reuse, recycle” und mehr…
Die Menschheit verbraucht wesentlich mehr Ressourcen, als ihr zur Verfügung stehen. Laut Global Footprint Network verbrauchte sie 1,75 Erden im Jahr 2019. Der Earth Overshoot Day wandert immer weiter nach vorne und lag im letzten Jahr am 29. Juli. Dank Corona kam er 2020 erst am 22. August zu liegen. Zu den größten Verbrauchern gehören u.a. die USA und Kanada, aber auch Luxemburg, dessen Overshoot Day 2020 schon im Februar war. Österreich hatte dieser Berechnung zufolge sein jährliches Ressourcenkonto bereits am 8. April 2020 aufgebraucht. Es brauch also dringend Lösungen, um ein nachhaltiges Leben auf diesem endlichen Planeten zu ermöglichen!
Eine umfassende Behandlung des Themas würde den Rahmen der #breakthroughtursday-Reihe bei weitem sprengen, daher finden sich nachstehend zunächst ausgewählte Informationen aus Politik, Wissenschaft und Abfallwirtschaft als Einstieg!
Gesetzliche Rahmenbedingen in Österreich
Bundes-Abfallwirtschaftsplan 2017 / die Abfallhierarchie
Die Abfallhierarchie ist eine Prioritätenfolge, die den Rechtsvorschriften im Bereich der Abfallbewirtschaftung zugrunde liegt.
Abbildung 4: Abfallhierarchie
Gemäß der Abfallrahmenrichtlinie sind diejenigen Optionen zu fördern, die insgesamt das beste Ergebnis unter dem Aspekt des Umweltschutzes erbringen. Dies kann es erforderlich machen, von der Abfallhierarchie abzuweichen, wenn sich durch Lebenszyklusdenken eine andere Option, als die gemäß der Hierarchie vorgegebene, als die bessere für den Umweltschutz erweist. Die bessere Option setzt voraus, dass ein besseres Ergebnis in einem signifikanten Ausmaß erzielt wird. Lebenszyklusdenken erfordert dabei keine Lebenszyklusanalyse.
Auszug aus dem Bundesgesetz zum gleichen Thema, Bundesrecht konsolidiert: Gesamte Rechtsvorschrift für Abfallwirtschaftsgesetz 2002, Fassung vom 05.06.2020
Im Juni wurde das Abfallwirtschaftsgesetz überarbeitet, die neue Hierarchie lautet:
1. | Abfallvermeidung; | |||||||||
2. | Vorbereitung zur Wiederverwendung; | |||||||||
3. | Recycling; | |||||||||
4. | sonstige Verwertung, z.B. energetische Verwertung; | |||||||||
5. | Beseitigung. |
Im Sinne des Bundesgesetzes versteht man unter den genannten Begriffen folgendes:
- Abfallvermeidung definiert Maßnahmen, die ergriffen werden, bevor ein Produkt zu Abfall geworden ist, und die:
- a) die Abfallmenge, auch durch die Wiederverwendung von Produkten oder die Verlängerung ihrer Lebensdauer;
- b) die nachteiligen Auswirkungen des nachfolgend anfallenden Abfalls auf die Umwelt und die menschliche Gesundheit oder
- c) den Schadstoffgehalt in Produkten verringern.
- Verwertung bezeichnet jedes Verfahren, als deren Hauptergebnis Abfälle innerhalb der Anlage oder in der Wirtschaft in umweltgerechter Weise einem sinnvollen Zweck zugeführt werden, indem
- a) sie andere Materialien ersetzen, die ansonsten zur Erfüllung einer bestimmten Funktion verwendet worden wären, oder
- b) – im Falle der Vorbereitung zur Wiederverwendung – die Abfälle so vorbereitet werden, dass sie diese Funktion erfüllen.
Als Verwertung gilt die Vorbereitung zur Wiederverwendung, das Recycling und jede sonstige Verwertung (z.B. die energetische Verwertung, die Aufbereitung von Materialien, die für die Verwendung als Brennstoff bestimmt sind, oder die Verfüllung) einschließlich der Vorbehandlung vor diesen Maßnahmen.
- Vorbereitung zur Wiederverwendung ist jedes Verwertungsverfahren der Prüfung, Reinigung oder Reparatur, bei dem Produkte sowie Bestandteile von Produkten, die zu Abfällen geworden sind, so vorbereitet werden, dass sie ohne weitere Vorbehandlung wiederverwendet werden können.
- Unter Recycling versteht man jedes Verwertungsverfahren, durch das Abfallmaterialien zu Produkten, Sachen oder Stoffen entweder für den ursprünglichen Zweck oder für andere Zwecke aufbereitet werden. Es schließt die Aufbereitung organischer Materialien ein, aber nicht die energetische Verwertung und die Aufbereitung zu Materialien, die für die Verwendung als Brennstoff oder zur Verfüllung bestimmt sind.
- Beseitigung nennt man jedes Verfahren, das keine zulässige Verwertung ist, auch wenn das Verfahren zur Nebenfolge hat, dass Stoffe oder Energie zurückgewonnen werden.
Nachhaltige Abfallvermeidung ist selbstverständlich eines der wichtigsten Ziele. Dieses soll durch die Verwendung von geeigneten Herstellungs-, Bearbeitungs-, Verarbeitungs- und Vertriebsformen, durch die Entwicklung geeigneter Arten und Formen von Produkten und durch ein abfallvermeidungsbewusstes Verhalten der Letztverbraucher die Mengen und die Schadstoffgehalte der Abfälle verringern und damit zur Nachhaltigkeit generell beitragen.
Abfallwirtschaft in Österreich
Das Abfallaufkommen Österreichs lag laut Statusbericht 2020 im Referenzjahr 2018 bei rd. 66,47 Mio. t. Dieses beinhaltet ein Aufkommen an Primärabfällen von 63,50 Mio. t sowie 2,97 Mio. t an Sekundärabfällen, die aus der Behandlung von Primärabfällen resultieren (z. B. Aschen aus der Abfallverbrennung). Das Aufkommen der Primärabfälle ist im Jahr 2018 um 11 % gestiegen. Der Zuwachs ist vor allem auf die steigenden Mengen an Aushubmaterialien und Abfällen aus dem Bauwesen zurückzuführen. Bei den Siedlungsabfällen aus Haushalten und ähnlichen Einrichtungen ist ein moderates Wachstum um rd. 6 % gegenüber 2015 zu verzeichnen.
Die Behandlung sämtlicher Abfälle teilte sich 2018 wie folgt auf: 45 % wurden stofflich verwertet (rezykliert und verfüllt); 7 % wurden in Anlagen, die der Abfallverbrennungsverordnung unterliegen, thermisch behandelt
43 % wurden deponiert; 5 % der Abfälle wurden in sonstiger Art behandelt.
Exemplarisch möchten wir nachstehend auf das Abfallaufkommen bei Kunststoffen hinweisen. Laut Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie (BMK) wurden Kunststoffe in Primärabfällen mit rund 0,95 Mio. t ermittelt. Der überwiegende Teil (rund 80 %) entfällt auf Kunststoffe in kunststoffhaltigen festen Abfällen, das sind gemischte Abfälle mit unterschiedlich hohen Kunststoffanteilen, wie Ersatzbrennstoffe, Altfahrzeuge, Sperrmüll etc. Etwa 18 % entfallen auf „reine“ Kunststoffabfälle wie Kunststofffolien, Polyolefinabfälle, Kunststoffemballagen und -behältnisse etc. Im Jahr 2018 wurden 906.124 t Kunststoffabfälle in Österreich behandelt. Die Differenz zwischen behandelten Massen und Aufkommen an Kunststoffabfällen im Jahr 2018 ist auf Importe, Exporte und unterschiedliche Lagerstände zurückzuführen. Der überwiegende Anteil von rund 72 % wurde thermisch behandelt, 26 % wurden stofflich verwertet und nur 2 % wurde deponiert (als Kunststoffanteil in einzelnen Abfallarten).
Das EU-Kreislaufwirtschaftspaket sieht aber vor, das Kunststoffrecycling in Österreich von derzeit 75.000 auf 150.000 Tonnen bis 2025 zu verdoppeln. Im Juni meldete der Verband österreichischer Entsorgungsbetriebe (VOEB) jedoch das Ende des Kunsttsoffrecyclings, denn der massive Preisverfall und die schwindende Nachfrage nach Recyclingkunststoffen würden das Überleben der Kunststoffrecycler und damit auch die Erreichung der Ziele des EU-Kreislaufwirtschaftspakets gefährden. Auf Grund des derzeit niedrigen Rohölpreises, kombiniert mit der sinkenden Nachfrage nach Kunststoff aufgrund der Corona-Krise, sind die Kunststoffpreise um fast 50% eingebrochen. Das Ergebnis: In Österreich stehen 70% der Betriebe, die Kunststoff recyceln, derzeit still, da es momentan kaum Absatzmärkte gibt. Damit dieses Segment nicht zum kompletten Stillstand kommt, fordert der Verband Österreichischer Entsorgungsbetriebe eine verpflichtende Mindesteinsatzquote von recyceltem Kunststoff in Industrie und Wirtschaft. Hier ist auch die Politik gefordert, den Markt für Sekundärrohstoffe zu stärken und etwa eine verpflichtende Quote oder Zuzahlungen für den Einsatz von Rezyklaten in der industriellen Produktion zu installieren. „Wenn sich die Politik die Verdoppelung des Kunststoffrecyclings zum Ziel setzt, müssen dafür auch die notwendigen Rahmenbedingungen geschaffen werden. Wir brauchen einen Absatzmarkt für recycelten Kunststoff. Sonst wird es in Österreich bald kein Kunststoffrecycling mehr geben“, warnt Gaby Jüly, Präsidentin des VOEB.
Dennoch wird es zukünftig verstärkt notwendig werden, einerseits Abfall zu vermeiden, andererseits aber auch Abfall als Rohstoff zu betrachten und wieder in den Produktionskreislauf zu bringen oder zumindest sinnvoll zu verwerten.
Antworten aus der Wissenschaft / Beispiel: Montanuniversität Leoben
Am Lehrstuhl für Abfallverwertungstechnik und Abfallwirtschaft (AVAW) der Montanuniversität Leoben erforscht man in einigen Projekten und Arbeitsgruppen Lösungen, wie wir zukünftig mit unserem Abfall umgehen können.
- Projekt LAMIS
Das von der FFG (Österreichische Forschungsförderungsgesellschaft) im Rahmen des BRIDGE-Programms geförderte Projekt LAMIS beschäftigt sich mit der Möglichkeit eines geordneten Rückbaus von Altdeponien zur Gewinnung nutzbarer Rohstoffe aus Abfällen (Deponie als Wert-, Roh- und Energiestofflager). Die in der Vergangenheit eingebauten Abfälle werden dabei abgegraben, aufbereitet und einer stofflichen oder thermischen Verwertung zugeführt. Nur mehr der nicht verwertbare Anteil wird erneut einer geordneten Deponierung zugeführt.
Das Projektergebnis zeigt jedoch, dass die Verwertung von Materialien aus dem Deponierückbau unter den gegeben rechtlich-wirtschaftlich-technischen Rahmenbedingungen stark eingeschränkt ist. Hier gibt es noch einigen Handlungsbedarf. Aber es gibt Interesse aus der Politik, denn das Land Steiermark sieht in Landfill Mining eine neue Rohstoffstrategie. „Wir haben in den letzten 50 Jahren in der Steiermark rund 32 Milliarden Kilogramm Müll vergraben. Es gilt, in Zukunft diesen Müll als wertvolle Ressource zu nutzen bzw. der thermischen und stofflichen Verwertung zuzuführen”, sagt Landesrat Johann Seitinger.
Auch wenn Recycling und Landfill Mining allein die Probleme der Ressourcenverknappung nicht lösen können, sind sie ein äußerst wichtiger Teilbereich der zukünftigen Ressourcenwirtschaft und zeigen eine bedeutende Wende im Paradigmenwechseln von der Abfall- hin zur Ressourcenwirtschaft an.
- Arbeitsgruppe “Future Waste”
Die Arbeitsgruppe „Future Waste“ beschäftigt sich mit der Erforschung zukünftiger Abfälle (Future Waste) und neuer Verwertungswege für Abfälle (Waste Treatment), die derzeit deponiert oder verbrannt werden.
So werden Lösungen für die Problematik von Kunststoffabfällen gesucht und industriell erforscht. Ein kleiner Beitrag gegen die nicht mehr zählbaren neuen Kunststoffmischungen, die zwar mit hervorragenden Produkteigenschaften auf den Markt gebracht werden, aber ohne Ecodesign für eine Wiederverwendung oder eine Verwertung am Ende ihrer Lebensdauer ungeeignet sind.
Lithium-Ionen-Batterien und andere Energiespeichersysteme gelten ebenfalls als Abfälle der Zukunft. Das Ecodesign zum Erreichen der gesetzlichen Verwertungsquote fordert neue Behandlungsverfahren, die neuen Recyclingprozessen gerecht werden, ohne dabei Sicherheitsaspekte oder das unvermeidliche Down-Cycling zu übersehen.
Das Spektrum der Arbeitsgruppe reicht von kritischen Rohstoffen über Metallbeizen bis zu Bodenaushub. Sie steht in enger Kooperation mit Unternehmen, StudentInnen, Behörden und der Scientific Society, um die neuesten Erkenntnisse im Bereich der Abfallverwertungstechnik und Abfallwirtschaft in unsere Gesellschaft einzubringen.
- Arbeitsgruppe “Innovative Abfallbehandlung”
Die Forschungsgruppe „Innovative Abfallbehandlung“ beschäftigt sich mit vernetzten Recycling- und Verwertungsprozessen in Zusammenspiel mit Industrie 4.0 Ansätzen, wie u.a. „digital networking“, Kommunikation zwischen einzelnen Prozessen, Robotics, etc. zur Erreichung von höheren Recyclingquoten für nichtgefährliche gemischte Abfälle. In der Arbeitsgruppe wird an folgenden relevanten Teilbereichen gearbeitet: Recycling und energetische Verwertung, Input- und outputseitige Qualitätssicherung, Wert-, Stör- und Schadstoffe, Maschinen und Anlagen sowie Datenwerkzeuge.
Weitere Lösungsansätze, auch für EndverbraucherInnen
Wie es auch anders gehen kann, zeigt das RepaNet (Re-Use- und Reparaturnetzwerk Österreich): „Länger nutzen statt öfter kaufen“ oder „Gib den Dingen eine zweite Chance“. Die RepaNet-VISION: Gutes Leben für alle mit geringstmöglichem Ressourceneinsatz. RepaNet ist Teil einer Bewegung für ein “Gutes Leben für alle” und trägt zu einer nachhaltigen, nicht wachstumsgetriebenen Lebens- und Wirtschaftsweise bei, die auf Ausbeutung von Menschen und Umwelt verzichtet und stattdessen mit möglichst wenigen und intelligent genutzten materiellen Ressourcen ein möglichst hohes Niveau an Wohlstand schafft, der sich durch Glück und Zufriedenheit an Stelle von materiellem Besitz orientiert.
Im Rahmen der „Rund Geht’s“-Reihe geht es um wertvolle Tipps im Umgang mit Materialien. Rund geht’s! ist eine Kampagne der österreichischen Abfallwirtschaft, um auf die vielfältigen Möglichkeiten aufmerksam zu machen, wie vermeintliche Abfälle als Rohstoffe wiederverwendet oder wiederverwertet werden können. Ins Leben gerufen wurde die Initiative von insgesamt 17 öffentlichen und privaten Einrichtungen, die maßgeblich zu einer zukunftsweisenden Abfallwirtschaft in Österreich beitragen.
Da wie im #breakthroughthursday vom 28. Mai 2020 bereits berichtet die Kreislaufwirtschaft die Basis des EU Green Deal darstellt, ist noch einiges an Innovationspotential zu heben, um Abfälle als Rohstoffe zu behandeln und damit eine Zukunft ohne Müllberge, Ressourcenverknappung und Umweltschäden zu erreichen!