Kreislaufwirtschaft, die Basis des EU Green Deal
Wir haben bereits in einem früheren #breakthroughthursday im Mai die wichtigsten Themen des EU Green Deal in aller Kürze vorgestellt. Im ersten Halbjahr 2020 wurden seitens der EU Kommission zahlreiche Dokumente veröffentlicht, die die Details der Überlegungen beinhalten. Am 11. März 2020 erschien die Mitteilung der Kommission mit den Titel „Ein neuer Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft, für ein saubereres und wettbewerbsfähigeres Europa“. Nachstehend die EU-Pläne im Überblick, denn diese sind die Basis unserer zukünftigen Wirtschaft und betreffen daher alle Unternehmen in den Mitgliedsstaaten.
EU-Aktionsplan zur Kreislaufwirtschaft
Bereits im Dezember 2015 wurde ein erstes Maßnahmenpaket der Europäischen Kommission zur Kreislaufwirtschaft verabschiedet, um die Wettbewerbsfähigkeit zu steigern, Arbeitsplätze zu schaffen und ein nachhaltiges Wachstum zu erreichen. Die vorgeschlagenen Maßnahmen sollten dazu beitragen, den Kreislauf der Produktlebenszyklen durch mehr Recycling und Wiederverwendung zu schließen, was Vorteile für Umwelt und Wirtschaft mit sich bringt. Ziel war es bereits damals, maximale Wertschöpfung durch Nutzung aller Rohstoffe, Produkte und Abfälle zu erreichen und dabei Energieverbrauch und Treibhausgasemissionen zu reduzieren. Im Rahmen von „Horizont 2020“ wurden 650 Mio. EUR sowie 5,5 Mrd. EUR aus den Strukturfonds zur Finanzierung bereitgestellt. Die großen Themen waren: Reduktion der Lebensmittel-verschwendung, Qualitätsstandards für Sekundärrohstoffe, ein Ökodesign-Programm 2015-2017, eine überarbeitete Verordnung über Düngemittel, eine Kunststoffstrategie in der Kreislaufwirtschaft, Nachhaltigkeitsziele zu Abfallreduktion sowie Maßnahmen zur Wiederverwendung von Wasser.
Im März 2020 wurde der neue Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft vorgestellt. Er liefert die Basis des europäischen Grünen Deals und enthält Maßnahmen für den gesamten Lebenszyklus von Produkten. Diese sollen länger nutzbar sein sowie leichter wiederverwendet, repariert und recycelt werden können. Grundlegendes Ziel ist es, dass genutzte Ressourcen so lange wie möglich in der EU-Wirtschaft verbleiben.
Der als Teil der EU-Industriestrategie vorgelegte Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft enthält folgende Maßnahmen:
- Nachhaltige Produkte als Norm in der EU
Die Kommission wird Rechtsvorschriften für eine nachhaltige Produktpolitik vorschlagen, damit in der EU in Verkehr gebrachte Produkte über eine längere Lebensdauer verfügen, leichter wiederverwendet, repariert und recycelt werden können und einen größtmöglichen Anteil recycelter Materialien enthalten. Die Verwendung von Einwegprodukten soll eingeschränkt und die Vernichtung nicht verkaufter langlebiger Güter verboten werden. Hierzu werden die Ökodesign-Richtlinie und die Vorgaben des EU-Umweltzeichen sowie der Kriterien für die umweltorientierte öffentliche Beschaffung (GGP) überabeitet. Geplant ist auch ein neuer Arbeitsplan für Ökodesign und Energieverbrauchskennzeichnung 2020-2024. - Stärkung der Position der Verbraucher
Verbraucher sollen Zugang zu zuverlässigen Informationen im Hinblick auf die Reparierbarkeit und Haltbarkeit von Produkten sowie ein echtes „Recht auf Reparatur“ haben. Zusätzlich sollen Unternehmen ihre Umweltaussagen anhand von Methoden zur Messung des Umweltfußabdrucks von Produkten und Organisationen belegen müssen, um KonsumentInnen vor Greenwashing zu schützen. Auch für die umweltorientierte öffentliche Beschaffung (GGP) sollen Mindestkriterien und Zielvorgaben sowie eine obligatorische Berichterstattung zur Überwachung gelten. Der Austausch zwischen Auftraggebern soll mittels der Initiative „Öffentliche Auftraggeber für Klima und Umwelt“ gefördert werden. - Abfallvermeidung
Der Schwerpunkt wird in der Vermeidung von Abfall liegen bzw. ihn in hochwertige Sekundärressourcen umzuwandeln. Maßnahmen zur Minimierung der Ausfuhr von Abfällen aus der EU und zur Bekämpfung illegaler Abfallverbringungen sind ebenfalls berücksichtigt. - Die Kommission wird konkrete Maßnahmen in Bereichen mit hohem Kreislaufpotential ergreifen, die auch einige der sieben Kernthemen des Green Deal widerspiegeln (wobei einige Punkte natürlich themenübergreifend sind):
- Elektronik und IKT (Kreislaufwirtschaft, nachhaltige Industrie)
Die Initiative für auf Kreislaufwirtschaft ausgerichtete Elektronik wird folgende Punkte beinhalten: Regulierungsmaßnahmen für Mobiltelefone, Tablets und Laptops sowie Drucker und Verbrauchsgüter wie Kartuschen; Umsetzung des Rechts auf Reparatur; Einführung einheitlicher Ladegeräte; EU-weites Rücknahmesystem für Mobiltelefone, Tablets und Ladegeräte; Beschränkungen für gefährliche Stoffe in Elektro- und Elektronikgeräten. - Batterien und Fahrzeuge (nachhaltige Mobilität)
Der neue Rechtsrahmen für Batterien soll die Evaluierung der Batterierichtlinie und die Arbeit der Batterieallianz beinhalten. Berücksichtig werden sollen u.a. auch Sammel- und Recyclingquoten für sämtliche Batterien sowie Nachhaltigkeits- und Transparenzanforderungen. Vorschriften für Altfahrzeuge sowie obligatorische Rezyklatanteile und Verbesserung der Recyclingeffizienz sollen überarbeitet werden. Ferner wird an einer umfassenden Strategie für nachhaltige und intelligente Mobilität gearbeitet. - Verpackungen (Kreislaufwirtschaft, nachhaltige Industrie)
Eine Verschärfung der Verpackungsanforderungen ist geplant, die zur Verringerung von Verpackungen und Verpackungsabfällen sowie zu Designs für bessere Wiederverwendung bzw. Recyclingfähigkeit und zu weniger komplexen Verpackungen führen soll. EU-weite Kennzeichnungen sollen die korrekte Trennung von Verpackungsabfällen erleichtern und sicheres Recycling garantieren. Trinkwasseranlagen im öffentlichen Raum sollen die Abhängigkeit von abgefülltem Wasser reduzieren und so auch Verpackungsabfall vermeiden. - Kunststoffe (Kreislaufwirtschaft, nachhaltige Industrie)
Die EU-Strategie für Kunststoffe in der Kreislaufwirtschaft wird u.a. verbindliche Anforderungen bei Rezyklatanteilen sowie Maßnahmen zur Abfallreduzierung bei Verpackungen, Baustoffen und Fahrzeugen vorschlagen. Beschränkungen von Mikroplastik sowie Kennzeichnung, Standardisierungs-, Zertifizierungs- und Regulierungsmaßnahmen hinsichtlich Mikroplastik und weitere wissenschaftliche Erkenntnisse im Zusammenhang damit sollen vorangetrieben werden. Zusätzlich soll sich die Politik mit der Beschaffung und Verwendung biobasierter Kunststoffe sowie der Verwendung biologisch abbaubarer oder kompostierbarer Kunststoffe befassen. Weiters ist auch eine neue Richtlinie zu Einwegkunststoffartikeln umzusetzen. - Textilien (nachhaltige Industrie)
Die Erzeugung von Textilien verbraucht viele Rohstoffe und viel Wasser, auch die Treibhausgasemissionen sind erheblich. Aktuell wird laut Schätzungen jedoch nur 1% der Textilien recycelt. Eine neue EU-Strategie für Textilien soll Ökodesign in den Vordergrund rücken und nachhaltige Textilien, die wiederverwendbar oder reparabel sind, bevorzugen. Kreislauffähige Materialien sowie Produktionsprozesse sollen ebenso gefördert werden wie Wiederverwendung und industrielles Recycling. - Bauwesen und Gebäude (nachhaltige Industrie, Gebäude & Renovierung)
Das Baugewerbe ist für etwa 50% der Rohstoffgewinnung und über 35% des Abfallaufkommens der EU verantwortlich. Die zugehörigen Treibhausgasemissionen belaufen sich auf rund 5-12%, wovon über Materialeffizienz 80% eingespart werden könnten. Eine neue umfassende Strategie für eine nachhaltige Umwelt wird u.a. folgende Bereiche umfassen: Bauprodukteverordnung, digitale Gebäude-Logbücher, Einbeziehung von Lebenszyklusanalysen in die öffentliche Auftragsvergabe, EU-Rahmen zur Erleichterung nachhaltiger Investitionen, EU-Rechtsvorschriften für die stoffliche Verwertung von Bau- und Abbruchabfällen sowie die Verringerung der Bodenversiegelung. - Lebensmittel (vom Hof auf den Tisch)
Die Lebensmittelwertschöpfungskette ist für erhebliche Ressourcen- und Umweltbelastungen verantwortlich, wobei rund 20% der Erzeugnisse verschwendet werden. In der „Vom Hof auf den Tisch“- Strategie ist der Abbau der Lebensmittelverschwendung eine Schlüsselmaßnahme.
Insgesamt ist eine verbesserte Abfallpolitik zur Förderung der Abfallvermeidung und des Kreislaufprinzips ein entscheidender Faktor, der in der gesamten Wertschöpfungskette umgesetzt werden muss. Dies kann nur durch Austausch auf hoher Ebene zu Kreislaufwirtschaft und Abfall und durch die Zusammenarbeit unter Mitgliedsstaaten, Regionen und Städten realisiert werden. Ferner benötigt es einen gut funktionierenden Markt für Sekundärrohstoffe. Auch Initiativen im Zusammenhang mit Städten und Gemeinden werden notwendig sein. Die Europäische Plattform der Interessensträger für die Kreislaufwirtschaft wird als zentraler Ort für Informationsaustausch dienen.
Kreislaufwirtschaft könnte aktuellen Studien zufolge das BIP der EU bis 2030 um zusätzlich 0,5% steigern und rund 700.000 neue Arbeitsplätze schaffen. Weitere positive Effekte können eine Rentabilitätssteigerung von Unternehmen und der Schutz vor Schwankungen bei Rohstoffpreisen sein. Der Umstieg auf Kreislaufwirtschaft ist ferner eng mit dem Ziel der Klimaneutralität verknüpft und hat das Potential, das Wirtschaftswachstum vom Ressourcenverbrauch zu entkoppeln – womit unsere Wirtschaft enkeltauglich wird und wir gleichzeitig auch die Umsetzung der SDGs (UN Sustainable Development Goals) vorantreiben. Eine win-win-win-Situation für Alle!
Die neue KMU-Strategie der EU wurde ebenfalls im März vorgestellt, ihr werden wir einen eigenen #breakthroughthursday widmen. Vorab sei bereits erwähnt, dass die Kreislaufwirtschaft auch dabei eine zentrale Rolle spielt und die kreislauforientierte industrielle Zusammenarbeit zwischen KMU gefördert werden soll. Dafür gibt es bereits das „Enterprise Europe Network“ bezüglich Clusterzusammenarbeit und das Europäische Wissenszentrum für Ressourceneffizienz.
Möchten sie sich mit unseren ExpertInnen in einer Sparringsession austauschen und gemeinsam neue Ideen, Produkte, Zukunftsszenarien oder Management-Themen diskutieren und erarbeiten? Wir stehen gerne für Ihre Anfragen zur Verfügung!