Zum Jahresauftakt haben wir unseren Kollegen bei der Quality Austria und Senior Partner der successfactory in Leoben eingeladen, einen Beitrag zu unserer Serie zu erstellen, der das Thema Verschwendung noch einmal aus anderer Sicht beleuchtet.
Lean Management & CSR
Als zu Beginn dieses Jahrtausends Six Sigma in den Mittelpunkt der europäischen Industrie rückte, kam man schnell zu der Erkenntnis, dass sich dieses Methodenpaket mit der Philosophie des Lean Managements oder besser mit dem Lean Thinking sehr gut vereinen ließ. Der Schwerpunkt bei den klassischen Six Sigma Methoden ist eine strukturierte Prozessverbesserung mit einer sehr visionären Null-Fehler-Philosophie im Hintergrund, wohingegen beim Lean Ansatz die Reduktion von Verschwendungen und somit die Steigerung der Wertschöpfung das oberste Ziel darstellt. Die Vorzüge beider Ansätze vereinend entstand das Modell Lean Six Sigma, woraus sich der Begriff „Operational Excellence“ entwickelte. Dieser wurde ein Schlagwort in vielen Strategien sowie Unternehmenspräsentationen und hielt in der Folge auch in diversen Stellenanzeigen Einzug.
Die Synergie dieser Optimierungsansätze funktioniert, weil sich beide im engeren Sinne auf Prozessverbesserung und -optimierung und dadurch im weiteren Sinne auch auf die Reduktion von Verschwendungen und Verlusten konzentrieren. Beide Ansätze basieren auf der Einbindung der Betroffenen am Ort des Geschehens („Go to Gemba“) und achten tendenziell auf kleinere Verbesserungsschritte. Der sich daraus entwickelnde Praxisbezug führt schnell zu erlebbaren, sichtbaren und vor allem auch messbaren Verbesserungen, die mit Hilfe von Standardisierung nachhaltig bestehen und immer weiter entwickelt werden können (KVP). Gerade in den letzten Jahren wurde der Lean Ansatz neben den klassischen wertschöpfenden bzw. Kernprozess-Bereichen auch in den indirekten Bereichen wie vor allem in der Administration, der Entwicklung, der Logistik und im Verkauf erfolgreich etabliert. So führte eine Vielzahl dieser einzelnen Bottom-Up-Aktivitäten zu messbaren Verbesserungen.
Eine andere Perspektive, nämlich der sogenannte Top-Down-Ansatz, verfolgen Systeme wie etwa das St. Galler Management-Modell, das Business Excellence Model der EFQM oder ganzheitliche CSR Ansätze. Hier wird von einer umfassenden Unternehmensentwicklung und von Unternehmensqualität bzw. von sehr spezifischen Schwerpunkten gesprochen, welche meistens vom Top-Management initiiert und getrieben werden.
Während im Lean Management über operative Prozesskennzahlen wie Durchlaufzeiten, Produktivität, Qualität und Verluste gesprochen wird, stehen beim EFQM-Modell neben finanziellen Kennzahlen übergreifende Key Performance Indicators (KPIs) wie MitarbeiterInnen- und Kundenergebnisse, eigentümerbezogene, regulatorische, sowie gesellschaftsbezogene Ergebnisse im Vordergrund. Bei all den anderen sehr spezifischen Managementsystemen – egal, ob es sich um einfache Qualitäts-, Umwelt-, Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz-, Risiko- und CSR Managementsysteme handelt – stehen immer jene Faktoren im Vordergrund, deren Erreichung über Kennzahlen und Indikatoren dargelegt werden können. Hier sind neben dem Output auch der Outcome und letztlich ebenso der Impact von Bedeutung, um die Erreichung der konkreten Zielsetzungen nachweisen zu können. Somit wird eine logische Verbindung in der Ergebnisbetrachtung eindeutig ersichtlich.
Diese Outcomes gilt es durch gezielte Veränderungen der Vorgehensweisen und der operativen Tätigkeiten kontinuierlich zu verbessern. Aus der strategischen Ebene herauskommend ist es die Arbeit an der Vision, der Mission und der Strategie sowie an Unternehmenskultur und Leadership, die den Grundstein für die kontinuierliche Verbesserung liefert.
Oft wird in vielen Organisationen unter dem CSR Ansatz noch immer ein Managementthema verstanden, das aber bei genauerer Betrachtung jeden Mitarbeitenden und jede Stelle in der Organisation beeinflusst und in der Erreichung der Ziele auch durch diese beeinflusst werden kann. Es zeigt sich, dass Nachhaltigkeitsthemen an der Basis durch einfache und bereits akzeptierte Ansätze, wie sie aus dem Lean Management bekannt sind (z. B. eine Muda Analyse oder ein 5S/5A Konzept, wo es um die Sicherheit, Ordnung, Sauberkeit und um die Suche und Vermeidung von Verschwendungen geht) sehr rasch umgesetzt werden können. Hinter der Muda Analyse stehen die „7 Formen der Verschwendung“, immer mit dem Ziel, direkt vor Ort all das zu identifizieren, was Geld und Ressourcen kostet, unnötig ist oder keinen Mehrwert in der Prozesskette bringt, um es in der Folge zu beseitigen. Im Sinne einer nachhaltigen Bereinigung sollte hier aber nicht nur auf den kurzfristigen Nutzen, sondern im Sinne von Impacts auch auf vor- und nachgelagerte Themen, Prozesse, Organisationen und Ressourcen Rücksicht genommen werden. Im angeführten Bild sind die klassischen 7 Arten der Verschwendung kurz abgebildet.
Bei der Optimierung ist es von besonderer Bedeutung eventuelle Einflüsse in beide Richtungen – also nach vorne und nach hinten – mitzudenken. Es geht nicht um kurzfristige Sub-Optimierung, sondern um einen echten, umfassenden und wirksamen Optimierungsansatz. Denken wir daher im Sinne der Kreislaufwirtschaft, unter der Prämisse nicht unendliche Ressourcen zur Verfügung zu haben und schädliche (Neben-)Wirkungen so gering wie möglich zu halten. Denken wir daher unter dem Gesichtspunkt des System Engineerings und im Gedanken an die Netzwerkökonomie an organisationsübergreifende Themen.
Im Akronym CSR findet sich der Begriff Responsibility – Verantwortung -, was aber nicht nur die sehr abstrakte Verantwortung der Organisation oder des Managements, sondern vielmehr auch die Verantwortung jedes/r Einzelnen innerhalb des Unternehmens beschreibt. Jede/r hat im Sinne einer Eigenverantwortung auf Verluste und somit auch auf Verbesserungen zu achten, diese anzusprechen und nach Möglichkeit auch zu beseitigen. Ob wir innerhalb eines Prozesses, nach langen Wartezeiten, nach unnötigen Transporten oder nach Qualitätsverlusten suchen oder zur gleichen Zeit auch auf die Verschwendung von Energie, Ressourcen und/oder Rohstoffen sowie auf unnötige Schadstoffausstöße etc. achten, macht keinen Unterschied. Somit wird zur ökonomischen auch die ökologische Seite beim Aufspüren von Verlusten beleuchtet. Denken wir den Lean Ansatz noch weiter, so sehen wir, dass an die bereits thematisierten Verschwendungen immer eine soziale Komponente gekoppelt ist. Fragen wir uns dabei auch, ob die richtigen Mitarbeitenden (noch) richtig eingesetzt werden oder ob wir unsere Mitarbeitenden über- bzw. unterfordern? Meinen wir, wenn wir von Mitarbeitenden sprechen, Köpfe, Kosten, Personalressourcen oder unsere Mitmenschen, Wissens- und Kompetenzträger?
Bei der Betrachtung dieser unterschiedlichen Herangehensweisen, Top-Down und Bottom-Up, muss man zu dem Schluss kommen, dass eine interdisziplinäre Zusammenführung mit einer sinnvollen Synergieplanung zu Ressourcenschonung führt. Es geht nicht darum, einen Ansatz über den anderen zu stellen, sondern die sinnvollen und nützlichen Anteile aus beiden Seiten herauszufiltern. In Wahrheit lassen sich beide Ausrichtungen effektiv vereinen. Die eine kann die Lücke der jeweils anderen ausfüllen beziehungsweise effiziente Lösungen aufzeigen, die bei einer isolierten Betrachtung kaum gesehen, geschweige denn angewendet werden würden. Somit ist CSR eigentlich eine echte Bottom Up Methodik und verhilft zu Resilienz auch in herausfordernden Zeiten!
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