Lernen: die wichtigste Fähigkeit, um Zukunft zu gestalten
Ein Weiser wurde einst, als er das Lebensende vor Augen hatte, gefragt: „Welche Fähigkeit ist für Sie die wichtigste im Leben?“ Er antwortete: „Es ist die Lernfähigkeit. Würde ich noch einmal geboren werden, würde ich mir diese Fähigkeit als erste Wünschen.“ (Quelle unbekannt)
Bildung als unsichtbare Dimension des Erfolgs
Lang, lang ist es her, seit ich mein Studium abgeschlossen habe. Anno 1996 war ich so wie heute mit den Themen Qualität, Organisationsentwicklung und Nachhaltigkeit beschäftigt. Vor kurzem bin ich auf eine Arbeit gestoßen, die ich seinerzeit verfasst habe. Man kann es kaum glauben, aber manche Themen beschäftigen einen ein ganzes Leben.
Angesichts der dramatischen Herausforderung durch die sich zuspitzende ökologische Krise stehen wir nach dem Urteil vieler Experten vor der Herausforderung, völlig veränderte Formen nachhaltigen Wirtschaftens und nachhaltiger Lebensstile zu entwickeln. Fast alle Fachleute sind sich einig, dass die weltweite Übertragung des gegenwärtigen Lebensstils unserer ressourcenvergeudenden expansiven Risikokultur in einen globalen Kollaps münden muss. Durch unseren Lebensstil beschneiden wir als Mitglieder der westlichen Wachstumsgesellschaften nicht nur schon jetzt die Lebenschancen eines Großteils der Weltbevölkerung, sondern wir riskieren auch die Zukunft nachfolgender Generationen.
Diese Einsicht ist also nicht neu. Wir haben Informationen sowie Wissen, und doch führt dieses Wissen zu keinem radikalen Umsteuern. Als ernüchternde Einsicht ergibt sich, dass Kenntnisse über umweltschädigendes, sozialschädigendes Verhalten (ökologischer und sozialer Fußabdruck) nur in seltenen Fällen zu Verhaltensänderungen führen und dass Umweltverhalten nur wenig von Bildungsstand und moralischen Erwägungen beeinflusst wird.
Conclusio: Überdenke ich meine Arbeit, muss ich feststellen, dass ich eigentlich gar nichts mehr zu sagen hätte, außer, dass ich Informationen immer und immer wieder recycle sowie Kontext und Anforderungen anpasse. Es wurde und wird noch immer viel geschrieben, aber offensichtlich ist die Diskrepanz zwischen Wissen und tatsächlichem Handeln kaum zu überwinden!
Halten wir einmal fest: Über die Zukunftsperspektiven unserer Gesellschaft befragt, wissen wir, dass die Mehrzahl der Bevölkerung und der Unternehmen durchaus die sich abzeichnenden ökologischen und sozialen Gefahren sieht. Man ist gewillt, aber einen Turnaround dennoch zu schaffen ist kaum möglich, da man mit Nachhaltigkeit leider Verzicht assoziiert. Besonders junge Menschen sehen die ökologischen und sozialen Gefahren, da Ihre Zukunft noch vor Ihnen liegt. Selbstverständlich wissen wir auch, dass dies allzu gerne als irrationale Überzeichnung abgetan wird und die Fehlsteuerung unseres Verhältnisses zu unserer ökologischen und sozialen Umwelt einfach ignoriert wird.
Psychische Taubheit und Ignoranz als Hinderungsgrund
Robert J .Lifton, ein amerikanischer Psychologe, hat in einer Untersuchung über die Ärzte in Konzentrationslagern festgestellt, dass es so etwas wie „psychological numbing“ gibt und damit die psychische Taubheit entdeckt. Demnach gibt es eine Tendenz in der menschlichen Psyche zur Abspaltung unangenehmer Einsichten. Er hat bereits 1992 diese Tendenz zur Selbst-Spaltung anhand des Verhaltens von Menschen beschrieben, die z.B. an der Entwicklung von Atomwaffen und Kriegs-Szenarien arbeiten. Naturverbundene, liebevolle Familienväter können sich dank dieser Selbstspaltung ohne Skrupel in ihrem Beruf destruktiven, lebenszerstörenden Tätigkeiten widmen. Meines Erachtens ist diese Selbst-Spaltung ein übergreifendes Kennzeichen unserer Gesellschaft, das uns alle betrifft – denn wer kennt schon Menschen mit hoher Selbstreflexion? Doch je mehr wir über problematische Aspekte unserer Lebensweise wissen, desto stärker scheint der Druck zur Selbst-Spaltung zuzunehmen.
Ohnmacht und fehlende Zukunftsbilder
Mit wachsendem Lebensalter kommt dann noch ein zweiter Faktor hinzu. Nach dem Motto „Nach mir die Sintflut“ denken viele von uns daran, auszunutzen was auszunutzen geht, ohne Rücksicht auf die Konsequenzen bzw. Folgen = der ökologische und soziale Fußabdruck. Bereits 1975 konnte nachgewiesen werden, dass wir uns scheinbar in Richtung einer Kultur des egozentrischen Durchsetzungswillens bei gleichzeitigem Rückgang von Selbstwahrnehmung und sozialer Sensibilität für das gesamte Ökosystem entwickelten. Individuelle Selbstverwirklichung ist das Lebensziel der Zeit, gepaart mit dem Beharren auf dem erreichten Besitzstand und einer verbreiteten Skepsis gegen Konzepte des Umsteuerns.
Auch wenn wir uns täglich mit Katastrophenbildern konfrontieren, so vermeiden wir doch, uns von ihnen emotional betreffen zu lassen, mit der Folge, dass viele immer mehr abstumpfen und fatalistisch den Lauf der Dinge hinnehmen. Die geistige Situation der Mittelklasse in dieser Welt bezeichnet man als „overeducated and underpowered“. Im fehlenden Zukunftsbild liegt meines Erachtens ein Grund dafür, warum eine allein an Wissensvermittlung ausgerichtete öko-soziale Erwachsenenbildung kontraproduktiv ist. Gefordert ist ein Abschied von einseitig kognitiv orientierten Belehrungskonzepten und eine Hinwendung zur Entwicklung innovativer Lehr- und Lernformen gemeinsamen Entdeckens und Forschens. Es geht dabei vor allem um ein Zukunftsbild für zukunftsfähige Lebensstile und zukünftigen Wirtschaftsstil. Da heißt es Nachdenken und Entwicklungsprozesse zielgerichtet zu nutzen.
Produktionsfaktor Wissen
Mit der Einbeziehung möglichst vielfältiger Personengruppen inkl. des Ökosystems in den Diskurs über Zukunftsentscheidungen bildet sich gleichzeitig ein neuer Typ des Wissens heraus, den ich als dialogisches Gestaltungswissen bezeichnen möchte. Dies ist ein Wissen, das Menschen befähigt, im Entwicklungsdialog mit geeigneten und unterschiedlichen Personen die nötige Orientierungsleistung immer wieder neu zu erarbeiten und in Projekten „eingreifender Zukunftsgestaltung“ umzusetzen. Es geht hier um die Revision unserer mentalen Modelle zu einer Schlüsselqualifikation der sich herausbildenden neuen Wissensgesellschaft. Auch wenn gilt: „Je mehr wir wissen, desto schwieriger wird es für uns, zu eindeutigen Handlungsentscheidungen zu kommen“. Gerade wegen der Zunahme unseres Wissens geraten wir immer mehr in eine permanente Überforderungssituation, die uns zu Abspaltungen zwingt. Deshalb versuchen viele, durch Reduzierung der Komplexität, etwa den Rückgriff auf einfache Glaubenssysteme, gegenzusteuern. Was wir aber brauchen ist ein Ausbruch aus unserer eindimensionalen, linearen Milieu- bzw. Fachkultur und eine Vernetzung unseres Wissens für das Wachstum von Wirtschaft und Gesellschaft.
Nachhaltige Entwicklung & das Zukunftskonzept Nachhaltigkeit
Nachhaltigkeit als Zukunftskonzept und das damit verbundene Management System CSR (Corporate Social Responsibility) zielt auf die Haltung einer lernenden Organisation ab. Darunter wird die Förderung von Rahmenbedingungen verstanden, die die vorhandenen Fähigkeiten der Mitarbeitenden in Teams so optimal koordinieren, dass ein permanenter Prozess der dialogischen Selbsterneuerung und organisationaler Weiterentwicklung eingeleitet wird. Bereits 1996 erforschte Peter Senge fünf Aspekte des Wesens lernender Organisationen als Vorbereitung für Nachhaltige Entwicklung.
- Personal Mastery
Hierunter versteht man die „Disziplin der Selbstführung und Persönlichkeitsentwicklung“. Man erkennt seine wahren Ziele und lernt, Wege zu finden, seine eigene persönliche Vision zu entwickeln und umzusetzen. - Mentale Modelle
Man erkennt seine persönlichen Überzeugungen, Glaubenssysteme und Verhaltensmuster und modifiziert diese gegebenenfalls. - Eine gemeinsames Zukunftsbild entwickeln
Man lernt, seine individuelle Vision in eine gemeinschaftliche Vision einzubringen und gemeinsame Zukunftsbilder zu entwickeln. - Team Lernen
Man erwirbt die Fähigkeit zum Dialog und erkennt Interaktionsstrukturen, die Lernen im Team behindern. Hier sollte man das Wort Dialog wirklich gut überdenken. - Systemdenken:
Die Fähigkeit zum Systemdenken bezeichnete Senge als die „fünfte Disziplin“.
„Das Systemdenken macht den subtilsten Aspekt der lernenden Organisation deutlich – damit Menschen sich selbst und ihre Welt mit anderen Augen sehen sowie unterschiedliche Perspektiven innerhalb kürzester Zeit einnehmen können. Ein fundamentales Umdenken ist das eigentliche Herzstück einer lernenden Organisation. Wir erkennen, dass wir nicht von der Welt getrennt, sondern mit ihr verbunden sind. Dadurch machen wir nicht länger Widersacher „da draußen“ für alle unsere Probleme verantwortlich, sondern erkennen, wie wir selbst durch unser Handeln zu unseren Problemen beitragen.
Mit Zukunftskonferenzen zu nachhaltiger Entwicklung & Agilität
Zukunftskonferenzen stellen gleichzeitig den Prototyp einer innovativen Lernform zur Kreierung dialogischen Handlungswissens dar, in der die Mitglieder eines Systems es lernen, ihre eigenen und die im System vorhandenen Ressourcen einzubringen und so miteinander zu vernetzen, dass jeder erfährt, wie er selbst zur Problemlösung beitragen kann. Die Struktur der Zukunftskonferenz selbst ist ein Beispiel für einen nachhaltigen Umgang mit Ressourcen. Der auf Dialog, Verstehen wollen, die Entdeckung des Gemeinsamen und die Herausarbeitung von Möglichkeiten gemeinsamer Zukunftsgestaltung abzielende Future-Search-Prozess zeigt uns neue Möglichkeiten auf, und zwar unter Einbeziehung der Schlüsselpersonen des Systems. Diese Herangehensweise kann ein wichtiger Katalysator beim Übergang von einer Kultur in eine andere sein.
Kommen Sie mit uns auf den Weg!
Lernfähigkeit ist Engagement, Interesse, tätige Neugier, bewusste Lebensgestaltung. Lernfähigkeit und Lebendigkeit wachsen miteinander. Mit jedem Stück Wiederbelebung entwickelt sich dadurch auch persönliches und unternehmerisches Wachstum.
Es kommt ganz sicher eine Zeit nach Corona: Lassen Sie uns in die Zukunft blicken und uns gemeinsam in einer eccos²²®–Sparringpartnerschaften für ein „nicht wie bisher“ einsetzen. Nützen wir die Krise als Chance, Neues zu Lernen. Starten wir mit ernsthaften Entwicklungs-Leuchttürmen, denn Leuchttürme geben Orientierung und Vertrauen in disruptiven Zeiten.