Kapital und Nachhaltigkeit – was bedeutet das für Wirtschaft und Unternehmen?
Das breite Konzept der Nachhaltigkeit basiert auf einem Modell, wonach Unternehmen nachhaltig agieren, wenn sie die Verantwortung für die Auswirkungen ihrer Geschäftstätigkeit in den Bereichen Ökonomie, Ökologie und Gesellschaft wahrnehmen. Nachhaltigkeit hat im Finanzbereich spezifische Auswirkungen, denn Finanzmittel machen Unternehmertum erst möglich. Startkapital ist für GründerInnen essentiell, Eigenkapital für bestehende Unternehmen und oft Drittmittelfinanzierung für Umbau, Ausbau oder Innovationstätigkeit von allen Unternehmen, egal, wie lange sie am Markt sind. Wohin geht also die Reise im Zusammenspiel von Kapital und Nachhaltigkeit?
Das Ziel nachhaltigen Wirtschaftens ist die Erhaltung des Wohlstands und seine langfristige Absicherung gegen ökonomische, soziale und auch ökologische Risiken. Das Finanzsystem nimmt eine zentrale Rolle in der Volkswirtschaft ein mit seinen Banken, Versicherungen und Vermögensverwaltern in ihrer Funktion als Kapitalsammelstellen. Hier bündeln sich sämtliche Investitionsentscheidungen, die nicht durch Eigenmittel finanziert werden (können). Da die Finanzinstitutionen tiefgreifend reguliert und individuell beaufsichtigt sind, liegt es für die Politik nahe, einzugreifen und auf ein Umsteuern der Kapitalströme hinzuwirken.
Beispiele für Kriterien bei nachhaltige Veranlagungen
Bereits seit vielen Jahren gibt es für Geldanlagen die sogenannten ESG-Kriterien, sie stehen für die Bereiche „Ecological, Social and Governance“. Zusätzlich haben sich SRI-Kriterien für sogenannte „Socially Reponsible Investments“ etabliert, die vor allem mit dem Ausschluss diverser Bereiche operieren. Dazu gehören die Rüstungsindustrie, Nuklearenergie, Suchtmittel, Glücksspiel, problematische Gentechnologie und Aktivitäten mit stark negativen ethischen, sozialen oder ökologischen Effekten (z.B. Menschenrechtsverletzungen).
Das Österreichische Umweltzeichen zertifiziert im Finanzbereich ethisch orientierte Projekte und Unternehmen, die Gewinne durch nachhaltige Investitionen erzielen. “Grüne Fonds” bzw. “Nachhaltige Finanzprodukte” bedeuten einen Mehrwert für KundInnen und Umwelt. Unter den ausgezeichneten Fonds befinden sich u.a. Produkte von Erste Asset Management GmbH, der Bank J. Safra Sarazin AG, Gutmann KAG, Amundi Austria GmbH, fair finance Asset Management Ltd., der Oberbank AG und der Bankhäuser Spängler und Kathreinbank.
Eine besondere Anlageklasse zur Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen sind Green Bonds, also „grüne Anleihen“. Die Standards dafür – die Green Bond Principles – wurden 2014 entwickelt und 2018 überarbeitet. Sie beinhalten vier Kernkomponenten: Verwendung der Emissionserlöse, Projektbewertung und –auswahl, Management der Erlöse und jährliche Berichterstattung. Geeignete Projekte für die Bündelung in Green Bonds sind Investitionen in den Bereichen erneuerbare Energie, Energieeffizienz, Verschmutzungsprävention und –kontrolle, ökologisch nachhaltiges Management von natürlichen Ressourcen und Landnutzung, Erhaltung der Artenvielfalt, sauberer Transport, nachhaltiges Wasser- und Abwassermanagement, Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel, umwelteffiziente und/oder für die Kreislaufwirtschaft geeignete Produkte, Produkttechnologien und Prozesse sowie umweltfreundliche Gebäude. Externe Prüfungen durch unabhängige Dritte werden empfohlen. Die Entwicklung dieser Anlageklasse ist rasant, die Volumina lagen 2014 noch unter 50 Mrd. USD, 2018 waren diese auf 170,9 Mrd. USD angestiegen. 2019 erreichte das veranlagte Vermögen rund 260 Mrd. USD, was eine Steigerung von über 50% innerhalb eines Jahres bedeutet.
Im EU-Aktionsplan zur Finanzierung nachhaltigen Wachstums sind europäische Standards bzw. offizielle EU-Labels für Green Bonds vorgesehen, seit Juni 2019 gibt es dazu einen ersten Vorschlag, wobei es für europäische Produkte mehr verbindliche Vorgaben gibt und damit einen höheren Standard. Darüber hinaus gibt es noch Sustainability Bonds, die zusätzlich zu den Umweltkriterien auch noch Sozialprojekte finanzieren können. Anleihen, die die Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen (SDGs) unterstützen, werden auch dieser Asset Klasse zugeordnet.
Wie fließen die Kapitalströme?
Bereits im Vorjahr betonte Larry Fink, der CEO von Blackrock, des größten Anlageverwalters der Welt, dass nachhaltige und klimabewusste Portfolios Anlegern bessere risikobereinigte Renditen böten. Künftig wolle Blackrock Nachhaltigkeit zu einem wesentlichen Bestandteil der Portfoliokonstruktion und des Risikomanagements machen und sich von Anlagen trennen, die ein erhebliches Nachhaltigkeitsrisiko darstellten, Investments in fossile Brennstoffe wolle man ausschließen. Blackrock folgt damit anderen, nicht ganz so bekannten Gesellschaften, wie etwa die französische BNP Paribas AM oder die norwegische DNB. Und auch die deutsche BAFIN sieht Nachhaltigkeit heute als Top-Thema, das Führungskräfte in allen Bereichen ganz oben auf ihre Prioritätenliste gesetzt haben.
Dr. René Schmidpeter, Professor für Internationale Wirtschaftsethik und CSR an der Cologne Business School, ist anerkannter Experte für strategisches Management und globale Nachhaltigkeitsentwicklungen. In seinem Artikel in der Zeitschrift „Audit Committee Quarterly“ berichtet er: „PIMCO, einer der größten Geldverwalter (aktuell verwaltetes Vermögen von fast 2 Billionen USD, Anm. d. Autorin), investiert vermehrt in Emittenten mit erstklassigen Nachhaltigkeitsstrategien.“ Auch der Staatliche Pensionsfonds Norwegens (mit rund einer Billion USD verwaltetem Vermögen der größte Staatsfonds der Welt), der französische Pensionsfonds und die Europäische Investitionsbank machen Nachhaltigkeit laut Schmidpeter zukünftig zur Bedingung ihrer Geldanlage bzw. Kreditvergabe.
Den genannten Vorreitern werden viele andere folgen. Das bedeutet für Unternehmen mit Kapitalbedarf, dass ohne Nachhaltigkeitsaktivitäten die Drittmittelfinanzierung immer weniger möglich sein und mittelfristig sogar komplett ausfallen wird. Auch die Europäische Kommission sieht Sustainable Finance als eines der wichtigsten Arbeitsfelder und der Green Deal der EU wird breite Auswirkungen auf die Art und Weise haben, wie Wirtschaft in Zukunft gestaltet wird. Der Fokus liegt auf dem Erreichen der europäischen Klimaneutralität bis 2050. Diese soll durch eine Umstrukturierung der Wertschöpfung in Richtung Kreislaufwirtschaft einerseits und durch den Fokus auf Schlüsselbranchen wie Energieerzeugung und saubere Technologien andererseits erfolgen. Die Digitalisierung wird dabei eine wichtige Rolle spielen. Der Ausstieg aus fossilen Energieträgern wird mit Ausgleichszahlungen unterstützt werden und große Umwälzungen mit sich bringen. In diesen Zusammenhang werden auch Subventionen und Beihilfen einer gesamtheitlichen Prüfung bis 2021 unterzogen, um diese Geldflüsse der Gesamtstrategie anzupassen – ein weiterer Schritt in Richtung Finanzierung nachhaltiger Lösungen bzw. Unternehmen.
Der bisher letzte Schritt: die EU Taxonomie-Verordnung
Die Taxonomie-Verordnung soll schrittweise europaweit den einheitlichen Rahmen definieren, welche wirtschaftlichen Aktivitäten als „nachhaltig“ gelten und somit in einem nachhaltigen Finanzprodukt enthalten sein dürfen. Das seit Dezember 2019 vorliegende Verhandlungsergebnis muss im nächsten Schritt vom Rat und Europäischen Parlament formell angenommen werden. Die Verordnung tritt 20 Tage nach der anschließenden Veröffentlichung im Amtsblatt der EU in Kraft.
Die Klassifizierung verpflichtend anwenden müssen:
- Mitgliedstaaten der EU, wenn sie öffentliche Maßnahmen, Standards oder Labels für Finanzprodukte oder Unternehmensanleihen, die von Finanzmarktteilnehmern oder Emittenten angeboten werden, als ökologisch nachhaltig bezeichnen.
- Finanzmarktteilnehmern, die Finanzprodukte anbieten.
- Finanz- und Nicht-Finanzunternehmen, welche dem NADIVEG unterliegen, also große Unternehmen von öffentlichem Interesse mit über 500 Mitarbeitenden.
Generell muss die wirtschaftliche Tätigkeit einen positiven Beitrag zu den sechs Umweltzielen (Klimaschutz, Anpassung an den Klimawandel, nachhaltige Nutzung und Schutz von Wasser und Meeresressourcen, Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft, Abfallvermeidung und Recycling, Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung, Schutz gesunder Ökosysteme) leisten, ohne in anderen Bereichen der Umwelt zu schaden und gewisse soziale Standards einhalten. Die wirtschaftliche Tätigkeit muss von der Europäischen Kommission überprüft und klassifiziert worden sein.
Für die tatsächliche Klassifizierung wird die Kommission von einer technischen Sachverständigengruppe, der „Platform on Sustainable Finance“ unterstützt. Diese Plattform wird sich u.a. aus Vertretern verschiedener Wirtschaftssektoren und relevanter Industrien zusammensetzen. Um nachhaltige Investments sicherzustellen und ein „Greenwashing“ zu verhindern, müssen Vorgaben zur Transparenz und eine Objektivierung von Kriterien nachvollziehbar sein. Wesentlich ist allerdings, dass allen Investoren der Zugang zu Eigen- und Fremdkapital gewährleistet bleibt.
Jüngste Forderungen der Investoren an die Politik
Die “Investor Agenda” vertritt mit Unterstützung von sieben wirtschaftsnahen Klimaschutz-Organisationen die Interessen von mehr als 400 Großinvestoren, darunter die Vermögensverwaltungshäuser der Allianz, der Volks- und Raiffeisenbanken, internationaler Großbanken wie BNP Paribas oder UBS sowie die DWS, die Fondstochter der Deutschen Bank. Auf das dort verwaltete Kapital von mehr als 30 Billionen Dollar werden viele Staaten für die Finanzierung ihrer Konjunktur- und Sozialprogramme angewiesen sein. “Wenn die Regierungen Anstrengungen starten, um sich von diesem Wirtschaftsabschwung zu erholen, sollten sie die Klimakrise nicht aus den Augen verlieren”, heißt es in deren Schreiben. “Sie müssen die vorhersehbaren, akuten, systemischen und sich verschärfenden wirtschaftlichen und finanziellen Risiken einbeziehen.” Die Klimakrise gefährde auch ihr Ziel, langfristige Erträge für ihre eigenen Kunden zu erwirtschaften, berichtet der Spiegel in einem jüngst veröffentlichten Artikel über diese Initiative. Vor dem Uno-Klimasondergipfel in New York im vergangenen September etwa verlangte “The Investor Agenda” eine baldige CO2-Bepreisung und das mittelfristige Aus für alle Kohlekraftwerke. “Ein beschleunigter Übergang hin zu Netto-Null-Emissionen kann neue Arbeitsplätze und Wirtschaftswachstum schaffen, zusammen mit anderen Vorteilen wie Energiesicherheit und sauberer Luft”, heißt es in dem Artikel. Dafür könne privates Kapital bereitgestellt werden, neue Treibhausgasrekorde halte auch das Großkapital für falsch.
Es tut sich viel im Finanzbereich und das ist absolut positiv, denn mit den künftigen Finanzströmen ist die Richtung verbunden, in die sich die Wirtschaft entwickelt. Und auch hier stehen die Zeichen endlich auf Nachhaltigkeit! Wir begleiten Unternehmen gerne auf dem Weg, den künftigen Anforderungen gerecht zu werden, um für InvestorInnen attraktiv zu sein und zu bleiben. www.eccos22.com