Heute schlagen wir für Sie mit dem Beitrag von DI Axel Dick, MSc, Prokurist, Business Development Umwelt und Energie, CSR bei unserem Zertifizierungspartner Quality Austria, die Brücke zwischen dem Thema Biodiversität, den SDGs und nachhaltiger Unternehmensführung anhand von Managementsystemen und Leitlinien – eine spannende „tour d’horizon“!
Biodiversität – ein abstrakter Begriff und was geht uns das denn an?
Biodiversität ist ein Fachbegriff für Artenvielfalt bei Flora und Fauna. Der Verlust der Biodiversität wird vom World Economic Forum in der Risikolandkarte 2021 als ein Risiko gesehen, das an Wahrscheinlichkeit und Auswirkung nochmals zugenommen hat.
Schon als 8-jähriger Junge habe ich vom Naturschutzbund die Liste der gefährdeten Arten gelesen, weil sie ihre Lebensräume in Deutschland zunehmen verloren haben. Heute bin ich über 50 und der Verlust der Biodiversität hat weiter zugenommen, mein Eindruck ist nur, dass dies für viele immer noch ein sehr abstraktes Thema ist, weil die persönliche Betroffenheit fehlt. Nur das Insektensterben und der Verlust dieser Biomasse in der Nahrungskette sind offensichtlich sowie wissenschaftlich belegt und wird in der Folge Auswirkungen auf die Nahrungskette haben. Nicht nur für die Vögel, die sich von Insekten ernähren, auch wir Menschen werden am Ende davon berührt, wenn die Bestäubung von Pflanzen durch Bienen, Hummeln, Schmetterlinge oder durch Mücken, etc. entfällt und damit Erträge in der Land- und Forstwirtschaft geringer ausfallen.
„Was hat die Mücke je für uns getan“
Sie haben richtig gelesen, auch Mücken haben hier eine Rolle. Ich war selber überrascht, habe dazu gelernt und möchte an dieser Stelle Ihre Neugierde für das Buch „Was hat die Mücke je für uns getan“ von Frauke Fischer und Hilke Oberhansberg wecken. Ich werde hier diese Erkenntnis auch für mich bewahren. Seien Sie neugierig! So viel sei gesagt: viele, viele Kinder, aber auch so manche erwachsene Naschkatze wäre traurig…
Die Vereinten Nationen haben das Problem schon länger erkannt und daher das Sustainable Development Goal 15 verabschiedet. Das SDG 15 will Landökosysteme schützen, wiederherstellen und ihre nachhaltige Nutzung fördern. Wälder sollen nachhaltig bewirtschaftet werden, Wüstenbildung bekämpft, Bodendegradation soll beendet werden und im Grunde muss die Bodenqualität wiederhergestellt werden. Anders gesagt: der Verlust der biologischen Vielfalt soll beendet werden. Große Ziele bis 2030!
Die Europäische Union verfolgt eine Bodenschutzpolitik und eine Biodiversitätsstrategie. Mit dem Schutzgebietsnetz Natura 2000 sollen die natürlichen Lebensräume in Europa auf Basis rechtlicher Grundlagen wie Vogelschutzrichtlinie, die Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie langfristig geschützt werden. Obwohl hier schon einiges passiert, stehen wir noch vor großen Aufgaben, denn – so schreiben die Autorinnen Frauke Fischer und Hilke Oberhansberg – „alles deutet darauf hin, dass die menschengemachte Aussterberate im Moment 1000-fach höher liegt und dass das vielfältige Eingreifen von Menschen in die Ökosphäre, das vor etwa 8.000 Jahren begonnen hat, das sechste Massensterben hervorruft. Und diesmal geht es rasend schnell.“ 75% der Ökosysteme an Land und zwei Drittel in den Weltmeeren seien durch menschliche Eingriffe bereits gekennzeichnet.
Die Ursachen für den Verlust der Biodiversität sind vielschichtig und greifen auch ineinander. Flächenverbrauch und Flächenversiegelung, das Verschwinden von Lebensräumen, intensive Landwirtschaft mit Monokulturen, der Einsatz von Chemie, der Klimawandel aber auch der Handel mit gefährdeten Tier- und Pflanzenarten sind hier u.a. anzuführen. Invasive Arten kommen durch die Globalisierung in andere Regionen und verdrängen heimischen Tier- und Pflanzenarten…
Im Jahr 2015 hat die UNO das Jahr des Bodens ausgerufen. 2015 ist auch ein umfassender Bodenatlas von Heinrich Böll-Stiftung, der IASS Potsdam, BUND und Le Monde Diplomatique erschienen. Ein Auszug der Erkenntnisse soll hier zusammengefasst werden. Die weltweiten Risiken für die Agrarwirtschaft sind sehr unterschiedlich: Wasserknappheit spielt z.B. in China, Chile, Mexiko und an der Westküste der USA eine große Rolle. Umweltverschmutzung sind Risiken in China, USA und Europa. Entwaldung ist eine Gefahr in den Tropen. Bodenerosion und Überflutungen sowie steigender Meeresspiegel sind ein globales Problem, ebenso Artenschwund. Flächenverknappung ist insbesondere in Indien und China ein Thema. Bodendegradation ist in Afrika, Südamerika, Mittelamerika und Südostasien ein Problem. Land ist aber begrenzt, der Druck und die Konkurrenz um Land wächst durch Anbau von Nahrungsmitteln, Futtermitteln, Agrartreibstoffe, Biomasse für chemische Produkte, Textilien sowie durch wachsende Städte und Verkehrsflächen. Während Städte heute 1 bis 2 Prozent der Erdoberfläche in Anspruch nehmen, schätzt man das Flächenwachstum auf 4 bis 5 Prozent bis 2050.
Die EU-Bodenschutzpolitik sieht vor allem folgende Bodengefährdungen:
- Erosion
- Rückgang der organischen Substanz
- Bodenkontamination
- Bodenversiegelung
- Bodenverdichtung
- Rückgang der biologischen Vielfalt im Boden
- Versalzung
- Überschwemmungen und Erdrutsche
Leistung des Humus als Beispiel: eine Hand voll Boden enthält so viele Mikroorganismen wie Menschen auf dem Planeten Erde leben. Dazu kommen Regenwürmer, Asseln, Spinnen, Milben. Diese Lebewesen zersetzen tote Biomasse und wandeln diese in Humus um. Humus speichert Kohlenstoff, nämlich 1.500 Milliarden Tonnen. Humus speichert außerdem Nährstoffe und Wasser: bis zu 200 Liter pro Kubikmeter. Doch die Flächenversiegelung schreitet voran. Die Österreichische Hagelversicherung sensibilisiert hier seit Jahren, weil es so nicht weitergehen kann. In der Vergangenheit betrug der Bodenverbrauch in Österreich 20 Hektar pro Tag und liegt nun bei gut 12 Hektar pro Tag, das Ziel sollte allerdings bei 2,5 Hektar pro Tag sein. D.h. weitere Anstrengungen sind nötig.
Was können Managementsysteme und Standards in Bezug auf Biodiversität leisten?
Die Umweltmanagementsysteme ISO 14001:2015, ISO 14031:2013 und EMAS adressieren in der Betrachtung von Umweltzuständen und in den Umweltaspekten auch Flora und Fauna sowie den Flächenverbrauch.
ISO 14001 „Umweltmanagement“
Die ISO 14001:2015 definiert Umwelt wie folgt:
3.2.1 Umwelt Umgebung, in der eine Organisation (3.1.4) tätig ist, einschließlich Luft, Wasser, Boden, natürliche Ressourcen, Flora, Fauna, Menschen und deren wechselseitige Beziehungen.
Anmerkung 1 zum Begriff: Umgebung kann sich vom Inneren einer Organisation bis zum lokalen, regionalen und globalen System erstrecken.
Anmerkung 2 zum Begriff: Umgebung kann mit Begriffen wie Biodiversität, Ökosysteme, Klima oder anderen Merkmalen beschrieben werden.
In der ISO 14001:2015 werden im Anhang die Umweltaspekte erläutert:
Bei der Bestimmung ihrer Umweltaspekte kann die Organisation berücksichtigen:
- a) Emissionen in die Atmosphäre;
- b) Ableitungen in Gewässer;
- c) Verunreinigungen von Böden;
- d) Verbrauch von Rohstoffen und natürlichen Ressourcen;
- e) Energieverbrauch;
- f) Freisetzung von Energie (z. B. in Form von Wärme, Strahlung, Vibration (Lärm), Licht);
- g) Erzeugung von Abfall und/oder Nebenprodukten;
- h) Flächenverbrauch.
ISO 14031:2013 „Umweltmanagement – Umweltleistungsbewertung“
In dieser Leitlinien werden zu Boden, Fauna und Flora Anregungen zu weiteren Kennzahlen dargestellt.
Boden – Wenn das Interesse des Managements im Bereich der Information über den Zustand des Bodens im lokalen oder regionalen Gebiet besteht, enthalten mögliche Umweltzustandsindikatoren folgendes:
- Konzentration eines bestimmten Schadstoffs in der Bodenoberfläche an ausgewählten Standorten in der Umgebung der Einrichtung der Organisation;
- Konzentration ausgewählter Nährstoffe in Böden, die in der Nachbarschaft der Einrichtung der Organisation liegen;
- sanierte Fläche in einer bestimmten örtlichen Zone;
- in einer bestimmten örtlichen Zone als Mülldeponie, Sumpfgebiet oder für Tourismus ausgewiesene Fläche;
- versiegelte und unfruchtbare Fläche in einer bestimmten örtlichen Zone;
- Naturschutzräume in einer bestimmten örtlichen Zone;
- Maß der Erosion des Oberbodens in einer bestimmten örtlichen Zone (z. B. Maß der Erosion, in Verbindung mit einem Bauprojekt).
Im Hinblick auf Leistungskennzahlen in Bezug zu den Beziehungen zur Gemeinde wird auch angeführt: Anzahl der Standorte mit Programmen zum Schutz der Fauna und Flora. Es wäre auch denkbar die Gesamtzahl der Tier- oder Pflanzenarten in einem festgelegten örtlichen Gebiet anzugeben, u.U. gibt es hier auch gefährdete Arten.
EMAS
Im geänderten Anhang IV der EAMS vom 19.12.2018 heißt es zu den Kernindikatoren:
- Kernindikatoren für die Umweltleistung a) Die Kernindikatoren betreffen die Umweltleistung in folgenden Schlüsselbereichen: i) Energie, ii) Material, iii) Wasser, iv) Abfall, v) Flächenverbrauch in Bezug auf die biologische Vielfalt und vi) Emissionen.
Bereich Flächenverbrauch in Bezug auf die biologische Vielfalt — Die Formen des Flächenverbrauchs in Bezug auf die biologische Vielfalt sind in Flächeneinheiten (z. B. m2 oder ha) auszudrücken:
— gesamter Flächenverbrauch,
— gesamte versiegelte Fläche,
— gesamte naturnahe Fläche am Standort,
— gesamte naturnahe Fläche abseits des Standorts.
Eine „naturnahe Fläche“ ist ein Bereich, der in erster Linie der Erhaltung oder Wiederherstellung der Natur dient. Naturnahe Flächen können sich auf dem Gelände des Standorts befinden und Dächer, Fassaden, Wasserableitungssysteme oder andere Elemente umfassen, die zur Förderung der biologischen Vielfalt konzipiert, angepasst oder verwaltet werden. Naturnahe Flächen können sich auch abseits des Standorts der Organisation befinden, sofern sie im Eigentum der Organisation stehen oder von dieser bewirtschaftet werden und in erster Linie der Förderung der biologischen Vielfalt dienen. Es können auch gemeinsam bewirtschaftete Flächen zur Förderung der biologischen Vielfalt beschrieben werden, sofern der Umfang der gemeinsamen Verwaltung klar umrissen ist.
Global Reporting Initiative – GRI Standards
Die ökologischen Themen werden bei GRI in der Serie 300 definiert. Biodiversität befindet sich dabei im GRI 304. Einleitend heißt es: Der Schutz der Biodiversität ist wichtig, um das Überleben von Pflanzen- und Tierarten sicherzustellen sowie die genetische Diversität und die natürlichen Ökosysteme zu erhalten. Natürliche Ökosysteme stellen außerdem sauberes Wasser und Luft bereit und tragen zur Ernährungssicherheit und menschlichen Gesundheit bei. Daneben leistet die Biodiversität einen direkten Beitrag zur lokalen Lebensgrundlage und ist daher unerlässlich für die Armutsbekämpfung und somit für eine nachhaltige Entwicklung.
Bezugnehmend auf den Managementansatz hat die Organisation, die nach GRI berichten will, folgende Angaben zu hinterfragen:
- Angabe 304-1: Eigene, gemietete und verwaltete Betriebsstandorte, die sich in oder neben Schutzgebieten und Gebieten mit hohem Biodiversitätswert außerhalb von Schutzgebieten befinden
- Angabe 304-2: Erhebliche Auswirkungen von Aktivitäten, Produkten und
- Dienstleistungen auf die Biodiversität
- Angabe 304-3: Geschützte und renaturierte Lebensräume
- Angabe 304-4: Arten auf der Roten Liste der Weltnaturschutzunion (IUCN) und auf nationalen Listen geschützter Arten, die ihren Lebensraum in Gebieten haben, die von Geschäftstätigkeiten betroffen sind
Praxistipp: woher bekomme ich Informationen?
- Rote Liste Flora und Fauna in Österreich: das Umweltbundesamt bietet mit OASIS 2.0 ein Österreichisches Artenschutz-Informationssystem (Version 2.0) an. Man kann hier nach Arten, Region und Grad der Gefährdung Abfragen starten, wobei einige Datensätze noch in Arbeit sind. Link: http://www.umweltbundesamt.at/oasis
- Umweltzustand Wasser: http://www.umweltbundesamt.at/umweltsituation/wasser/wasser_daten/
- Digitalisierte Karten Naturschutz: http://www.doris.at/themen/umwelt/natur.aspx
Exkurs zum Strafrecht in Österreich
- 180 StGB legt den Strafrahmen für eine vorsätzliche Beeinträchtigung der Umwelt fest: Wer entgegen einer Rechtsvorschrift oder einem behördlichen Auftrag ein Gewässer, den Boden oder die Luft so verunreinigt oder sonst beeinträchtigt, dass dadurch
- eine Gefahr für das Leben oder einer schweren Körperverletzung (§ 84 Abs. 1) eines anderen oder sonst für die Gesundheit oder körperliche Sicherheit einer größeren Zahl von Menschen,
- eine Gefahr für den Tier- oder Pflanzenbestand in erheblichem Ausmaß,
- eine lange Zeit andauernde Verschlechterung des Zustands eines Gewässers, des Bodens oder der Luft oder
- ein Beseitigungsaufwand oder sonst ein Schaden an einer fremden Sache, an einem unter Denkmalschutz stehenden Gegenstand oder an einem Naturdenkmal, der 50.000 Euro übersteigt, entstehen kann, ist mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren zu bestrafen.
Wird durch die Tat der Tier- oder Pflanzenbestand erheblich geschädigt, eine lange Zeit andauernde Verschlechterung des Zustands eines Gewässers, des Bodens oder der Luft bewirkt oder ein Beseitigungsaufwand oder sonst ein Schaden an einer fremden Sache, an einem unter Denkmalschutz stehenden Gegenstand oder an einem Naturdenkmal, der 50 000 Euro übersteigt, herbeigeführt, so ist der Täter mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu bestrafen. Hat die Tat eine der im § 169 Abs. 3 genannten Folgen, so sind die dort angedrohten Strafen zu verhängen.
- 181 StGB legt das Strafmaß für die fahrlässige Beeinträchtigung der Umwelt fest.
1) Wer fahrlässig entgegen einer Rechtsvorschrift oder einem behördlichen Auftrag eine der im § 180 mit Strafe bedrohten Handlungen begeht, ist mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bis zu 720 Tagessätzen zu bestrafen.
2) Wird durch die Tat der Tier- oder Pflanzenbestand erheblich geschädigt, eine lange Zeit andauernde Verschlechterung des Zustands eines Gewässers, des Bodens oder der Luft bewirkt oder ein Beseitigungsaufwand oder sonst ein Schaden an einer fremden Sache, an einem unter Denkmalschutz stehenden Gegenstand oder an einem Naturdenkmal, der 50 000 Euro übersteigt, herbeigeführt, so ist der Täter mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren zu bestrafen. Hat die Tat eine der im § 170 Abs. 2 genannten Folgen, so sind die dort angedrohten Strafen zu verhängen.
Am Ende kann ich den Buchtipp nur nochmals wiederholen, denn Frau Fischer und Hilke Oberhansberg ist es wirklich gelungen, ein für viele Menschen abstraktes Thema sichtbar zu machen, an Hand vieler konkreter Beispiele und v.a. durch ihre Darstellung von Zusammenhängen. Hilfreich sind auch die zahlreichen, wenn auch ernüchternden, Daten und Fakten. Aber die Autorinnen machen auch Hoffnung. Mein Appell: Wir sollten endlich begreifen, dass es nicht nur ein Finanz- und Humankapital und die damit verknüpften Werte gibt, sondern dass auch Naturkapital einen hohen Wert hat und viele Ökosystemleistungen erbringt, ohne uns eine Rechnung zu schicken. Das sollten wir uns bewusst machen, sonst müssen wir in Zukunft selber mit einem Pinsel von Blüte zu Blüte hüpfen und die Bestäubungsrolle der Bienen, Hummeln, Schmetterlinge und Mücken ausüben!
Abschließend möchten wir noch anmerken, dass mit dem eccos²²® Management Assessment ein Instrument zur Verfügung steht, das Unternehmen einen holistischen Blick auf ihre Zukunftsfähigkeit vor dem Hintergrund internationaler Leitlinien und Vorgaben liefert. Unser Zertifizierungspartner Quality Austria sichert höchste Qualität dieses Angebotes und bestens ausgebildete Assessor*innen für die Umsetzung.