Auch diese Woche haben wir eine Kollegin der Quality Austria, DI Agnes Sendlhofer-Steinberger, gebeten, einen Beitrag für unsere Serie zu erstellen. Da Nachhaltigkeit Unternehmen ganzheitlich durchdringen muss, um den größtmöglichen Nutzen zu erzielen, hat sie die Umsetzung in einem integrierten Managementsystem für uns erarbeitet, basierend auf ihrem Artikel für „CSR und Organisationsentwicklung“, 2016 erschienen im Springer-Verlag.
Jedes Unternehmen, jede Organisation, verfügt über eine individuelle Systematik, die relevante Mechanismen, Funktionen und Wirkweisen des Unternehmens regelt und abbildet. Dieses Managementsystem ist meist nach ganz bestimmten thematischen Zugängen aufgebaut, die die wesentlichen Inhalte der Auftragserfüllung und des Ressourceneinsatzes abbildet. Viele Unternehmen verfügen auch über Teilführungssysteme, wie z.B. Qualitäts-, Umwelt-, Corporate Social Responsibility (CSR) bzw. Nachhaltigkeit, Risiko- oder Energiemanagement.
Das Integrierte Managementsystem (IMS) eines Unternehmens verbindet die bestehenden individuellen Führungs- und Steuerungsmechanismen mit den systematisch umgesetzten Anforderungen ausgewählter internationaler Normen, Branchenstandards oder anderer anerkannter Leitlinien zu einem einheitlichen Managementsystem, welches jedoch die typischen Eigenheiten des Unternehmens beibehält. Gelebte Integrierte Managementsysteme sind in der Praxis dynamisch und lassen sich bedarfsgerecht erweitern und entwickeln.
12 Nachhaltigkeits-Integrationsansätze, A. Steinberger
Die folgenden Themenbereiche sind integrale Bestandteile jedes IMS
- Kontext
Der Kontext eines Unternehmens beschäftigt sich mit dem Zusammenhang und dem Umfeld eines Unternehmens. Kein Unternehmen arbeitet im „luftleeren Raum“ ohne Beziehungen mit anderen Unternehmen und weiteren Stakeholdern. Es wird zwischen internem und externem Kontext unterschieden.
Den internen Kontext bilden Beziehungen, Wechselwirkungen und Mechanismen innerhalb eines Unternehmens, unerheblich ob sie fördernd, hemmend oder neutral auf die Unternehmensentwicklung einwirken. Für das Managementsystem und die damit verbundene Entwicklung der Organisation ist das Kennen und Nutzen dieser Zusammenhänge ein wichtiges Instrument. Es empfiehlt sich, im Rahmen einer Umfeldanalyse den internen Kontext eines Unternehmens herauszuarbeiten, zu dem grundsätzlich Prozesse und Abläufe in ihrem Zusammenspiel bekannt sind. Den externen Kontext bilden die bekannten Systemmanagementnormen (ISO 9001, ISO 14001 etc.), die hauptsächlich den Zusammenhang des Unternehmens mit den KundInnen, PartnerInnen, LieferantInnen sowie Behörden in unterschiedlicher Ausprägung betrachten. Aus Nachhaltigkeitssicht – sei es durch ISO 26000, ONR 192500 oder GRI–Standard – ist eine umfangreiche Umfeldanalyse in Zusammenhang mit der Identifizierung der Stakeholder (Anspruchsgruppen) erforderlich.
Sowohl interne wie externe Kontextanalyse sind wesentliche Bestandteile der Erhebung der Ausgangssituation, die für Unternehmens mit ernstzunehmenden Nachhaltigkeitsaktivitäten unbedingt erforderlich sind. Kontextanalysen unter Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten in Organisationen, die Qualitätsmanagementsysteme oder integrierte Managementsysteme leben, ergeben weitere Sichtweisen und Perspektiven, da Zusammenhänge mit neuem Blickwinkel betrachtet werden. - Strategie
Die Strategie eines Unternehmens stellt sicher, dass die Vision erreicht wird, indem sie Zweck, Verhalten und Vorgehen über einen mehrjährigen Zeithorizont miteinander verbindet. Basis jeder Strategie ist die Kenntnis des externen und internen Umfeldes, der eigenen Möglichkeiten, der Ansichten der Anspruchsgruppen – sprich des Kontextes der Organisation. Aus der strategischen Analyse wird die strategische Handlungsanleitung – Politik, Ziele und Teilziele – für als wichtig definierte Bereiche abgeleitet. - Chancen- und Risikomanagement
Das Bewusstsein für die Risiken und Chancen im Unternehmen intern, sowie jenen im Umfeld, der Branche, der Region etc. ist Voraussetzung für den unternehmerischen Erfolg. Das integrierte Managementsystem bietet die Möglichkeit, Qualitäts-, Umwelt- und Sicherheitsrisiken und Chancen zu identifizieren, zu bewerten und entsprechende Maßnahmen abzuleiten. Ebenso werden Chancen und Risiken unter Nachhaltigkeitsaspekten erarbeitet, um die Zukunftsfähigkeit von Unternehmen langfristig zu sichern. - Organisation & Struktur
Jedes Unternehmen verfügt über effektive und effiziente Strukturen zur Gestaltung von Arbeitsabläufen. Üblicherweise sind eine Aufbaustruktur (Organigramm, Stellenbeschreibungen mit Qualifikations- bzw. Kompetenzprofilen, Funktionsbeschreibungen) und eine Prozessstruktur (Prozessmodell) vorhanden. Zusätzlich müssen Nachhaltigkeits-relevante Verantwortungen, Befugnisse und Zuständigkeiten transparent und nachvollziehbar eingebaut bzw. vorhandene sichtbar gemacht werden, um Doppelzuständigkeiten zu vermeiden. - MitarbeiterInnen
Die intensive Einbindung der MitarbeiterInnen in die gemeinsame Gestaltung des Managementsystems fördert die Integration in das tägliche Tun. Nur Menschen erfüllen die gedachten Strukturen eines Managementsystems mit Lebendigkeit. Systeme, die einfach und übersichtlich sind, sowie für die Bewältigung des täglichen Arbeitsgeschehens konkrete Unterstützung liefern, erhalten Akzeptanz und unterstützen in pragmatischer Form wirksame Führung. Führungskräfte sind besonders gefordert, mit gutem Beispiel voranzugehen, zu motivieren, zu fördern, aber auch die Umsetzung vereinbarter Regeln und Prozesse einzufordern. Als wesentlicher Erfolgsfaktor kann das Bewusstsein der Mitarbeiter für die Teilführungssysteme Qualität, Umwelt, Arbeitssicherheit und Nachhaltigkeit angesehen werden.Die Integration von Nachhaltigkeit über die MitarbeiterInnen ist aus drei wichtigen Blickwinkeln eine unbedingte Basisanforderung: Zum einen sind die sieben Grundsätze für gesellschaftliche Verantwortung, welche seitens der ISO 26000 definiert wurden, auf die MitarbeiterInnen als wichtige Anspruchsgruppen anzuwenden, zum Anderen betreffen die Kerninhalte der CSR-Säule „Soziales“ die MitarbeiterInnen. Ergänzend sind selbstverständlich alle MitarbeiterInnen in verschiedenste CSR-Aktivitäten mit einzubinden.Die ISO 26000 und auch andere Standards und Leitlinien adressieren folgende Kernthemen: Menschenrechte, Kinderarbeit, Zwangsarbeit, Arbeitsbedingungen, Diskriminierung, Arbeitszeit, Entlohnung sowie Gesundheit und Sicherheit. Diese Kernthemen können mit „Vereinbarkeit von Beruf und Familie“, Work-Life-Balance, Gesundheitsfürsorge am Arbeitsplatz etc. beliebig erweitert werden. - Prozessmanagement
Die ISO 9001 als Teilführungssystem für Qualitätsmanagement verfolgt seit dem Jahr 2000 explizit einen prozessorientierten Ansatz. Die Prozesse einer Organisation sind daher zu erarbeiten, zu regeln und schließlich konsequent umzusetzen. Das Prozessmodell der jeweiligen Organisation stellt den Führungsprozess, den Wertschöpfungsprozess und den werterhaltenden Prozess grafisch dar.Sind die Prozesse der jeweiligen Organisation im Prozessmodell entlang der Wertschöpfung sowie betreffend Management und Unterstützung erarbeitet und dargestellt, bieten sie einen hervorragenden Ansatz für eine Integration weiterer Themen betreffend Umwelt, Sicherheit, Gesundheit, Risiko bzw. weiterer branchen- und themenspezifischer sowie Nachhaltigkeitsanforderungen. - Stakeholderdialog
Der Dialog mit den Stakeholdern = Anspruchsgruppen ist für alle Nachhaltigkeitsaktivitäten eine wesentliche Grundlage. Die Teilführungssysteme für Qualitätsmanagement / Umweltmanagement / Gesundheits- und Sicherheitsmanagement betrachten nur ausgewählte Interessenspartner wie bspw. KundInnen, MitarbeiterInnen, LieferantInnen, Behörden. Dies bedeutet, dass in bestehenden integrierten Managementsystemen jedenfalls die Analyse der Stakeholder, deren Interessen, Erwartungen, Befürchtungen, Bedürfnisse hinsichtlich zweier Betrachtungsweisen vertieft werden muss, um Inputs der ISO 26000, der GRI Guidelines und der SDGs (UN Sustainable Development Goals) zu ergänzen. - Methoden & Werkzeuge
Für die Integration von Nachhaltigkeit in das bestehende Managementsystem und die wichtige Weiterentwicklung kann auf die gängigen bekannten Werkzeuge zurückgegriffen werden. Der Plan-Do-Check-Act-Zyklus wird in der Praxis als methodische Grundlage für lebendige kontinuierliche Verbesserung umgesetzt. Alle wesentlichen Systemstandards (ISO 9001, ISO 14001, ISO 45001, etc.) bauen darauf auf und er ist auch in der ISO 26000, der ONR 192500, der SR10 den GRI Guidelines als wichtiges Werkzeug genannt. - Dokumentation
In den Teilführungssystemen ISO 9001, ISO 14001 und ISO 45001 wird eine eindeutige Dokumentation des Systems gefordert. Üblicherweise ist das ein Handbuch mit ergänzenden Unterlagen wie Prozess- oder Verfahrensbeschreibungen sowie Arbeits- und Prüfanweisungen. Die Systemdokumentation nutzt in der Abbildung dieses Regelwerkes sinnvollerweise Grafiken, Ablaufdiagramme, Tabellen und Beschreibungen. Aus Integrationssicht besteht der Anspruch, auch für mehrere abgebildete Anforderungsmodelle ein integriertes, in sich geschlossenes Gesamt-Regelwerk zu schaffen. Die Harmonisierung der ISO MS-Normen fördert diesen Ansatz.
Durch die Integration auf der Dokumentationsebene wird ein Diskussions- und Reflexionsprozess über die Inhalte der Prozesse, Verfahren und Arbeitsschritte eingeleitet. Redundanzen und mögliche Widersprüche werden erkannt und vermieden. Wechselwirkungen und Beziehungen werden besser sichtbar und bewusst gemanagt. Die Akzeptanz bei den Anwendern erhöht sich im Vergleich zu parallelen Managementsystemen deutlich. Nachhaltigkeitsaktivitäten sollten auf alle Fälle in die bestehende Dokumentation integriert werden. - Kennzahlen & Indikatoren
Die grundlegenden Kennzahlen jeder Organisation zeigen periodenbezogen die leistungswirtschaftlichen Ergebnisse wie z.B. Auftragseingang, Leistungsvolumen, Umsatz, Deckungsbeiträge, Personal- und Materialaufwand auf. Dieses operative Kennzahlenmodell verbindet Prozesse und aufbauorganisatorische Verantwortung und wird durch weitere Kennzahlen, die von den bekannten Teilführungssystemen vorgesehen sind, ergänzt. Diese sind üblicherweise u.a. Kunden- und MitarbeiterInnenzufriedenheit, Anlagenverfügbarkeit, Fehlerraten, Energieeinsatz, Ressourceneffizienz, Abfallaufkommen, Emissionen im Umweltbereich, Risikopotenziale, Unfallzahlen, Krankenstände und Berufskrankheiten etc… Im Integrierten Managementsystem gilt es, die Kennzahlen in einem sinnvollen Zusammenhang gemeinsam zu bearbeiten und künftig für die entsprechenden Entscheidungen synergetisch zu nutzen. - Compliance
Die Achtung der Rechtsstaatlichkeit ist einer der sieben Grundsätze von gesellschaftlicher Verantwortung. Nachhaltigkeitsaktivitäten setzen grundsätzlich Einhaltung und Erfüllung der gesetzlichen Vorschriften (legal compliance) voraus. Dies bedeutet, dass sich Unternehmen, die sich mit Nachhaltigkeit als Teil des Managementsystems auch mit Rechtssicherheit auseinandersetzen müssen. In der Regel bestehen definierte Prozesse, die sicherstellen, dass zutreffende gesetzliche Vorgaben und Bescheide systematisch im Unternehmen adressiert und von den Verantwortlichen bearbeitet und umgesetzt werden. - Regelwerke, Standards & Normen
Im Integrationsansatz von Systemmanagement-Normen und anderen Regelwerken wird zwischen der themenspezifischen Integration und der themenübergreifenden Integration unterschieden. Grundsätzlich werden die Wechselwirkungen und Zusammenhänge zwischen den einzelnen Anforderungsregelwerken ermittelt, um die Synergiebereiche zu erfassen und Redundanzen zu vermeiden. Überlappende Anforderungen werden im Integrierten Managementsystem nur einmal erarbeitet und dokumentiert. Die dabei entstehenden Regelungen decken dann überlappende Anforderungen aus mehreren Anforderungsmodellen gleichzeitig ab. Bei der Integration der Anforderungen von Nachhaltigkeits-Regelwerken in ein bestehendes Managementsystem wird gleich vorgegangen: die Regelwerke werden sozusagen übereinander gelegt, Synergien transparent gemacht und Ergänzungen passend eingearbeitet:
Anforderungen von ISO 9001, ISO 14001 und ISO 45001, deren Überschneidungen im Vergleich mit ISO 26000; © A. Steinberger 2020
Unter einem geänderten Blickwinkel kann man auch die Zuordnungen der Kernanforderungen der ISO 26000 mit anderen Regelwerken herausarbeiten:
Kernthemen der gesellschaftlichen Verantwortung in Wechselbeziehung mit anderen Standards; Quality Austria 2020
Fazit
Die Integration in ein bestehendes Managementsystem kann über mehrere Wege erfolgen. Je nach Unternehmenskultur, ausgewählten Nachhaltigkeits-strategischen Themenschwerpunkten und den Ergebnissen von Kontextanalysen und Stakeholderbewertungen lassen sich unterschiedliche Integrationsansätze unterschiedlich nutzen. Es steht jedem Unternehmen frei, zur Entwicklung der eigenen Organisation jene Integrationsansätze zu wählen, die individuell am besten passen. Wichtig ist, die gängigen zu kennen und deren Möglichkeiten zu nutzen. Im Hinblick auf eine nachhaltige Zukunftsfähigkeit einer Organisation ist die Einbindung in das bestehende Managementsystem – egal ob es nur aus dem Teilführungssystem Qualitätsmanagement, oder aus mehreren Teilführungssystemen besteht – unerlässlich, damit langanhaltende Erfolge sichergestellt werden. Mithilfe des Management Assessments eccos²²® kann die Integration gelingen und anhand jährlicher Fortschrittsprüfungen am Laufen gehalten werden.