Unternehmensqualität und Excellence in Zeiten der Krise
Einen Schlüsselsatz aus einem elf Jahre alten Aufsatz zu Management von Ian Davis (McKinsey) anlässlich der globalen Finanzkrise 2009, könnte man genau gleich jetzt in der Corona-Krise formulieren:
“For some organizations, near-term survival is the only agenda item. Others are peering through the fog of uncertainty, thinking about how to position themselves once the crisis has passed and things return to normal. The question is, “What will normal look like?” While no one can say how long the crisis will last, what we find on the other side will not look like the normal of recent years.”
Wahrscheinlich waren im Vergleich zu 2009 nun 2020 durch das extrem schnelle, beinahe zeitgleiche globale Herunterfahren der Wirtschaft sowohl die Erfordernisse betreffend das Überleben als auch die Überlegungen im Blick nach vorne extremer und intensiver.
Das Phänomen Krise
Wie einleitendes Zitat zeigt, sind langfristig betrachtet Krisen für Organisationen nichts Ungewöhnliches. Krisen sind dabei in der Mehrzahl selbst, durch die Organisation verursacht und wären damit vermeidbar. Manchmal sind Krisen auch von außen induziert und praktisch unausweichlich. Die zwecks Eindämmung der COVID19 Infektionen entstandene Wirtschaftskrise wurde durch eine bewusste Entscheidung der Regierungen ausgelöst. Es ging darum, das Gesundheitssystem aktionsfähig zu halten und Leben zu retten.
Die Krise der Organisationen und Unternehmen, die Wirtschaftskrise
Vorhersage, Früherkennung oder Vorbereitung waren für die Betroffenen praktisch unmöglich. Inzwischen aufkommende harte Kritik an der Kommunikation der früh Betroffenen, der WHO und auch unterschiedlicher Verantwortungsträger ändert nun nichts mehr für die Betroffenen der Wirtschaftskrise – und um genau die geht es hier. Was unabhängig von Auslöser, Geschwindigkeit und Intensität allen Krisen gemein ist, ist die Grundaussage, dass jede größere Krise normalerweise einen Wendepunkt in einem System darstellt. Dieser Wendepunkt ist gekennzeichnet durch Unwägbarkeit, Gefahren aber genauso auch durch Chancen. Unabhängig vom Auslöser müssen Führungskräfte aller Ebenen die Verantwortung für Organisationen tragen, in der Krise präsenter sein. Es gilt bei Unklarheit laufend Entscheidungen zu treffen, zu kommunizieren und damit zur Klarheit und Handlungsfähigkeit für möglichst vieler Menschen in der Organisation beizutragen.
Vier Phasen der Krise aus Sicht der Verantwortungsträger
Eine auf Langfristigkeit ausgerichtete Organisation braucht Führungskräfte mit der Fähigkeit die aktuellen Herausfordernden zu bewältigen und dies mit Arbeit an der Zukunft zu verbinden. Diese Herausforderung lässt sich für die Krise in vier Phasen gliedern. Dabei ist der Ausgangspunkt, das HEUTE, gedanklich an den Beginn der Krise gestellt.
- Das HEUTE
Beginn und Durchleben der ersten Phase der Krise - Vom HEUTE zum MORGEN
Erhalt der Überlebensfähigkeit mit Resilienz - Das MORGEN
Rückkehr in das alte Geschäft mit neuen Rahmenbedingungen - Das ÜBERMORGEN
Aufbruch zu Neuem
Der Gesamtblick auf die Phasen ist für Führungskräfte wesentlich. Der Blick auf das ÜBERMORGEN ermöglicht im HEUTE zum MORGEN anders ausfallende und für die Zukunft wesentliche Entscheidungen und Herangehensweisen im Sinne nachhaltiger Lebenssicherung.
Das HEUTE
Am Beginn von Krisen fällt es Entscheidern schwer die Situation zu verstehen, die „Neue Wirklichkeit“ anzuerkennen und auch als Krise zu erkennen und zu bezeichnen. Die Informationslage ist schlecht, es besteht wenig Information zur kurz- und mittelfristigen Zukunft, man bewegt sich auf Sicht von Tag zu Tag, von Woche zu Woche. Das größte aktuelle Problem: der Liquiditätsabfluss läuft. Aus Klarheit der Führung (wenn sie auch noch so schwierig ist) gewinnen Betroffene eine Perspektive, schöpfen Kraft und sind selbst deutlich handlungsfähiger. Vertrauenskultur ermöglicht schnelle Entscheidungen und Handlungen sowie schnelle Umsetzung.
Vom HEUTE zum MORGEN
Das Anerkennen der Wirklichkeit bleibt schwierig:
- In sehr kurzer Zeit ist einfach Vieles weg; die Frage des Umgangs damit erfordert mehr Kommunikation.
- Das aktuelle Geschäft bricht rapide ab oder „läuft aus“, Vertrauen geht verloren.
- Liquidität nimmt ab, damit auch Beweglichkeit.
Faktenbasiertes Handeln ist von hoher Wichtigkeit. Gesicherte Liquidität auf Basis auch radikal adaptierter Planung hat hohe Priorität. Um Erschöpfung der Organisation zu vermeiden, braucht es klare Kommunikation und laufendes Aktualisieren von Annahmen, bekannten Fakten und abgeleiteten Plänen. Je nach Organisationsgröße braucht es passende kurzfristig gestaltete und ins Leben gerufene Strukturen, die einerseits die Krise bewältigen (Krisenteam) aber auch bereits Überlegungen zur Zukunft anstellen (Zukunftsteam). Fixe Zeitpunkte, zu denen verlässliche Kommunikation stattfindet, stärken die Perspektive.
Wir sehen bei exzellenten Organisationen auf der kulturell-emotionalen Ebene mehr Energie, Überlebenswille, Veränderungsbereitschaft, Innovationskraft und stärkeres Vertrauen. Diese Ausprägungen stellen eine hervorragende Basis für Erneuerung dar. Sie verbinden meist kulturelle Stärke mit einem klaren, pragmatischen Zugang zu Zielen, Planung und Weiterentwicklung. Abstimmung und Kommunikation dieser Pläne findet unaufgeregt statt. Exzellente Organisationen gehen auch ohne Krise im Tagesgeschäft fair im ECO-System, in der Wertschöpfungskette, vor. Dieser Zugang macht sich in der Krise doppelt bezahlt – alle Teilnehmer im ECO-System achten mehr aufeinander.
Das MORGEN
Der Weg in das MORGEN wird als Aufbruch verstanden. Dabei gilt es nicht überhastet aufzubrechen, auch nicht unnötig zuzuwarten aber doch laufend mit Mut zur Lücke und in gebotener Unschärfe folgende Fragen heranzuziehen:
- Was ist aktuelles Kerngeschäft, was Kerngeschäft der Zukunft?
- Was bleibt künftig vom „alten“ Geschäftsmodell?
- Welche Partner im ECO-System gibt es noch, in welcher Form sind sie handlungsfähig?
- Was sind die schwächsten Glieder im Netz des ECO-System (aus der Krisenerfahrung)?
- Bestehen neue Nachfragen, neue Chancen?
- Was wird einfacher, was komplizierter?
- Was gilt es abzuschaffen, weil nicht mehr gefordert?
Je nach Zweck werden viele Organisationen ihr Geschäftsmodell hinterfragen und neu denken (müssen). Ein Teil der Mitspieler im ECO-System wird fehlen, Lieferketten gilt es neu zu gestalten. In der Krise wurde bewusst, dass auch nur EIN schwaches Glied in der Lieferkette dramatische Nachteile bewirkt. In dieser Gestaltungsarbeit verbirgt sich nicht nur Aufwand, dies ist auch eine Chance, die genutzt werden will.
Je mehr Menschen in der exzellenten Organisation nun an der Neugestaltung mitwirken, umso stärker wird die Energie, umso mehr Innovation kann entstehen. Breite Einbindung und Beteiligung ist Teil der kulturellen DNA exzellenter Organisationen. Dies bedeutet, dass für exzellente Organisationen die Einbindung aller Mitarbeiter*innen sowie Selbstorganisation und Selbstgestaltung üblich sind. In diesem Kontext besteht nun ein Vorteil im Vergleich zu anderen Organisationen. Exzellente Organisationen achten bewusst auf ein in der Krise laufend neu auszubalancierendes Gleichgewicht aus Energie, Richtungsklarheit und Selbstgestaltungsraum.
Das ÜBERMORGEN
Der Schock von Krisen sitzt tief, lässt sich nicht leicht abschütteln und es ist herausfordernd, nach der Bewältigung des Weges DURCH die Krise und HERAUS aus der Krise, neue Chancen zu sehen. Meist entsteht bei guter Kommunikation und einem erfolgreichen Miteinander in der Krise eine deutlich stärkere Kultur des WIR, des HINGREIFENS, des AKTIV Agierens. Damit kann man Chancen INNERHALB der Organisation aufgreifen. Wenn es nach dem Wendepunkt der Krise auch mutige Impulse zur Vorwärtsbewegung, zum Erproben und zum Aufgreifen neuer Präferenzen gibt, dann kann ein Rückblick zu einem späteren Zeitpunkt interessante Einsichten vermitteln: Krisen wird dann mit entsprechender Distanz auch Positives abgewonnen. Die Herausforderung ist jedoch klar: um nun Inspiration und Innovation für eine neue Zukunft parat zu haben, braucht es Zeit für diesen Weitblick. In der Verfügbarkeit der Zeit liegt jedoch ein Widerspruch, denn in den vorangehenden Wochen und Monaten brauchten Führungskräfte alle Energie, um das HEUTE und das MORGEN zu bewältigen.
Exzellente Organisationen haben bessere Balance und bringen in der Zeit durch die Krise auch bewusst mehr Energie für das Übermorgen auf. Es gilt ÜBERMORGEN nämlich nicht unreflektiert den Zustand von „VORHER“ anzustreben sondern die Chance der Krise zu nutzen. Vieles ist in Bewegung und veränderbar, Altlasten kann man abschaffen und mit neuen Optionen die „Todeslinie“ der Organisation verschieben. Führungskräfte exzellenter Organisationen sind sich der Widersprüchlichkeiten in diesem Durchleben der Krise und der Gestaltung der Zukunft bewusst.
Eine Frage beschäftigt Organisationen immer wieder: Schaffen Organisationen und Führungskräfte die periodisch wiederkehrend erforderlichen, teils massiven Veränderungen auch ohne den Energieimpuls der Krise?
Es gibt aus der Praxis zwei Ausprägungen in denen massive Veränderung bewältigt wird:
- die Krise
- außergewöhnliche Führungspersönlichkeiten, die einen gleichen Energieschub auch ohne Krise zustande bringen
Wertvolle Ausprägungen zur Krisenbewältigung aus Business Excellence und Assessments wie dem eccos²²® Management Assesssment
In der aktuellen Fassung des EFQM-Excellence-Modells wurden Aspekte wie geopolitische Unsicherheiten, Instabilitäten und Krisen als immer wieder auftretende Rahmenbedingungen für exzellente Organisationen bewusst mit einbezogen. Mut, Agilität, Gestaltungswille, Fähigkeit zur Veränderung und Konsequenz sehen wir beispielsweise auch unabhängig von der aktuellen Krise ganz klar als wichtige Eigenschaften und Kulturmerkmale exzellenter Organisationen. Es ist klar, dass genau diese Eigenschaften in Excellence-Programmen durch (Selbst)-bewertungen und laufende Verbesserungen gestärkt werden.
Genau in diesem Bereich ist auch das eccos²²® Management Assessment positioniert. Wir sehen im Excellence Ansatz die Menschen im Mittelpunkt. Es sind die Menschen und deren Vertrauen, die den Unterschied ausmachen. Stabile Führungsbeziehungen, Klarheit und Transparenz sorgen für Richtung, Sinnverständnis und für Energie – auch in stürmischen Zeiten. Diese Energie ist spürbar, Kraft kann sich selbstorganisiert entfalten, die Organisation kann die Herausforderung der Krise besser bewältigen. Führungskräfte aller Ebenen haben dabei Beides im Blick: die Erfordernisse im Durchleben der Krise und den Blick auf die Rückkehr in ein zukünftiges Tagesgeschäft mit Aufbruch zu Neuem.
Die üblichen Merkmale exzellenter Unternehmensqualität wie Richtungsklarheit, Verantwortungsbewusstsein, Transparenz, hohe Kundenbindung und Mitarbeiterloyalität sowie ausgeprägte Veränderungsfähigkeit sind insbesondere in Zeiten hoher Unsicherheit von großem Wert. Dies bedeutet, dass bei exzellenten Organisationen auf der kulturell-emotionalen Ebene mehr Energie, Überlebenswille und stärkeres Vertrauen als Basis und Erneuerungsfähigkeit gegeben sind. Exzellente Organisationen verbinden diese kulturelle Stärke auch einem klaren, pragmatischen Zugang zu Zielen, Planung und zur Weiterentwicklung und Kommunikation dieser Pläne. Vernunft und Emotion werden bei exzellenten Organisationen verbunden – und dies entspricht auch der Art und Weise, wie Menschen wirkungsvoll leben und agieren.