Ab 2018 müssen alle börsennotierten Unternehmen sowie Betriebe mit mehr als 1000 Beschäftigten eine gesetzliche 30-Prozent-Frauenquote in ihren Aufsichtsräten erfüllen. Ersten Schätzungen zufolge müssen in den nächsten Jahren zwischen 470 und 600 Aufsichtsrätinnen neu bestellt werden. Gibt es, Ihrer Erfahrung als Personalvermittler nach, genug Frauen, die das machen wollen?
Ja es gibt genügend top qualifizierte Frauen, die trotz verschärfter Rahmenbedingungen , bereit sind, sich mit ihrem Know-How und ihrem Know -Who einzubringen. Alleine BOARD SEARCH kann den neuen Bedarf bei österreichischen Unternehmen aufgrund des in den letzten Jahren aufgebauten Netzwerkes sehr gut und sogar alleine decken. Das Interesse geeigneter Frauen ist groß und sie bringen sich auch mit viel Leidenschaft ein.
Welche Qualifikationen muss eine Aufsichtsrätin erfüllen?
Für eine Aufsichtsrätin gilt grundsätzlich das gleiche Anforderungsprofil wie für einen Mann:
Über ausreichend Zeit zu verfügen, ist eine Grundvoraussetzung. In den meisten Fällen soll sie Erfahrung aus einer adäquaten Position einbringen können. Sie soll die Branche kennen und sich mit dem Unternehmen identifizieren können. Komplementäre Fähigkeiten und Kompetenzen, die noch nicht im Aufsichtsrat durch andere Mitglieder abgedeckt werden, sind gefragt.
Eine professionell agierende Aufsichtsrätin bereichert ein Gremium durch individuelle Stärken und Fähigkeiten, die dem Unternehmenswohl dienen und einen Nutzen stiften.
Ausgezeichnete Chancen haben Frauen, die über Digitalisierungs-Knowhow verfügen.
Gibt es derzeit genug Frauen in Ö, die diese Qualifikationen erfüllen?
Auf jeden Fall. Wobei bei BOARD SEARCH auch internationale Top-Persönlichkeiten ihre Bereitschaft bekundet haben, für ein Mandat im Aufsichtsrat, Beirat oder Stiftungsvorstand in Österreich zur Verfügung zu stehen.
Welche Auswirkungen werden mehr Frauen in Aufsichtsräten haben, Ihrer Einschätzung nach?
Aus meiner langjährigen – auch internationalen Erfahrung – weiß ich, dass jede Frau, die ich in einem Aufsichtsrat als neues Mitglied erleben durfte, das Gremium bereichert hat. Ich habe in der Praxis erlebt, dass alle Frauen bestens vorbereitet zu den Sitzungen kamen (was ich nicht über alle männlichen Aufsichtsräte sagen kann).
Frauen haben Stärken in der Kommunikation. Ein Aufsichtsrat produziert nichts, er dienstleistet auch nicht wirklich, sondern ist ein Kommunikationsorgan.
Frauen mit Empathie und einem „out of the box-Denken“ beleben die Gremien äußerst wertvoll. Frauen, die ich als Aufsichtsrätin erleben durfte, haben sich durch kritisches Hinterfragen und Querdenken ausgezeichnet. Sie haben andere Aspekte als reine Männerzirkel in die Diskussion eingebracht. Diese Frauen haben sich auch durch einen hohen Pragmatismus und eine wichtige Kundenorientierung verdient gemacht. Ich habe Frauen im Aufsichtsrat auch als risikomindernd und als bessere Teamplayer erlebt.
Sollte es auch in anderen Bereichen Frauenquoten geben?
Grundsätzlich sind Quoten aus meiner Sicht abzulehnen. Quoten sind dann erforderlich, wenn es zu Fehlentwicklungen und erheblichen Ungleichgewichten gekommen ist. Eine Quote hilft, die Balance wieder herzustellen. Eine Quotenregelung ist daher immer dann zu begrüßen, wenn sie hilft, ein Ungleichgewicht zu beseitigen – quasi eine wirksame Sonderregelung auf Zeit, die aber auch dann wieder entfallen darf, wenn die Balance hergestellt ist. Auf die wertvollen Stärken und Fähigkeiten von Frauen – in welchen Bereichen auch immer – a priori zu verzichten, ist weder weise noch zielführend.
Warum denken Sie gibt es derzeit so wenig Frauen in Aufsichtsratspositionen?
Mit einer Quote von ca. 18 Prozent Frauenanteil in österreichischen Aufsichtsräten liegt Österreich im internationalen Ranking gar nicht schlecht. Wirklich unbefriedigend ist die Präsenz von Frauen in den Vorstandsetagen. Das Schöne an der neuen Frauenregelung ist, dass viele Unternehmen nunmehr problembewusster sind und eine wertvolle Diskussion, auch medial begleitet, begonnen hat.
Mir konnte noch kein Mann – einen mir nachvollziehbaren – Grund nennen, warum Frauen nicht bzw. nicht noch stärker in Aufsichtsratsgremien wirken sollen. Aber wir erleben noch die Auswirkungen von „140 Jahre old boys network“ – doch das ändert sich.
Entscheidend dafür, dass beim Frauenanteil in Gremien noch viel Luft nach oben ist, sind jene Verantwortlichen, die als „Besteller“ gelten – nämlich Eigentümer, Aufsichtsratsvorsitzende wie auch starke Vorstände, die in dieser Frage Einfluss haben. Deren Sichtweisen sind in zu vielen Fällen noch von althergebrachten, überholten Denkmustern geprägt.
Am Beispiel der Frauenquote wird auch das Thema Diversität breit gesehen. Es wird nicht nur auf das Geschlecht, sondern auch auf die Altersdiversität (warum darf nicht bereits eine 28-jährige ein Aufsichtsratsmandat bekleiden, wenn sie Wertvolles einbringt) eingegangen. Auch die Knowhow-Diversität (in österreichischen Aufsichtsräten sitzen zumeist die gleichen (Männer) mit ähnlichen oder gleichen Kompetenzen) wird thematisiert. Ebenso wird das Kriterium der Internationalität im Aufsichtsrat ein wichtiges (der Mitbewerb ist oft nur einen “Mausklick“ entfernt).
Last but not least wird in die Diversität auch die Herkunft stärker miteinbezogen. Beispielsweise hat Volvo nach der Übernahme durch einen chinesischen Eigentümer die besten Köpfe aus Asien, Europa und Amerika in den neuen Verwaltungsrat bestellt – und das zum großen Vorteil des Konzerns.
Gäbe es abseits der Quote andere Möglichkeiten um mehr Frauen in diese Positionen zu bringen?
Ja, die gibt es. Veränderungen beginnen immer im Kopf. Durch das Überwinden von traditionellen Denkmustern (so haben wir das immer schon gemacht) und durch das neue Verständnis, dass Aufsichtsrat kein Ehrenamt mehr ist, sondern eine professionelle Tätigkeit, ergeben sich neue Anforderungsprofile. Somit sucht „Hans nicht nach Hänschen“. Aufsichtsratsmandate werden nicht länger über das Beziehungsnetzwerk vergeben: „Ich suche einen Aufsichtsrat, kennst Du jemanden“. Es wird nach international üblichen Maßstäben und professionell gesucht. Man fischt nicht mehr im Wasserglas, sondern nutzt die Möglichkeiten der Ozeane. Somit wird das klassische Denkschema: ein Aufsichtsrat muss männlich sein, über 20 Jahre Vorstandserfahrung und 15 Jahre Aufsichtsratserfahrung verfügen sowie 65 Jahre alt sein, obsolet. Dieses neue Denken rückt Frauen in den Fokus und stellt auf deren Vorzüge ab. Unternehmen, Organisationen und Institutionen werden „wertvoll bunt“.
Der Aufsichtsrat neuer Prägung ist ein Wettbewerbsvorteil!